Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
schüttelte.
»Setzt ihn hin«, schlug Merle vor. Kettricken packte mich links und rechts am Hemd und zog mich hoch, bis ich aufrecht in den Decken saß. Für einen Augenblick wurde mir schwarz vor Augen. Ich konnte nicht begreifen, weshalb sie alle mitten in der Nacht darauf bestanden, dass ich wach sein sollte, und das sagte ich ihnen auch.
»Es ist Mittag«, antwortete Kettricken knapp. »Es stürmt immer noch. Deshalb ist es so dunkel.« Sie musterte mich durchdringend. »Hast du Hunger? Möchtest du einen Becher Tee?«
Während ich versuchte, mir darüber klarzuwerden, vergaß ich ihre ursprüngliche Frage. Da waren so viele Menschen, die leise vor sich hinflüsterten, und ich konnte meine Gedanken nicht von ihren trennen. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte ich höflich zu der Frau vor mir. »Was genau wolltet Ihr von mir wissen?«
»Fitz!«, zischte der bleichhäutige Mann aufgebracht. Er griff hinter mich und zog ein Bündel zu sich heran. »Er hat Elfenrinde hier drin, um Tee daraus zu bereiten. Chade hat sie ihm gegeben. Vielleicht hilft das, ihn zur Besinnung zu bringen.«
»Er braucht keine Elfenrinde«, sagte eine alte Frau scharf. Sie rückte näher heran, streckte die Hand aus und kniff mich ins Ohr.
»Au! Krähe, das hat wehgetan!«, beschwerte ich mich und versuchte, mich zu befreien. Sie hielt mein Ohrläppchen fest. »Wach auf!«, befahl sie streng. »Auf der Stelle!«
»Ich bin wach«, versicherte ich ihr, und nach einem letzten argwöhnischen Blick ließ sie mich los. Während ich mich einigermaßen ratlos umschaute, murmelte sie ärgerlich: »Wir sind zu dicht an dieser vermaledeiten Straße.«
»Stürmt es immer noch draußen?«, fragte ich. »Das haben wir dir bereits sechsmal gesagt«, antwortete Merle mit angstvollem Unterton.
»Ich hatte... Alpträume gestern Nacht. Ich habe nicht gut geschlafen.« Mein Blick wanderte über die Gesichter der Menschen, die sich um das kleine Glutbecken geschart hatten. Offenbar war jemand wagemutig nach draußen gegangen, um frisches Holz zu holen. An einem Dreibein über dem Becken hing ein bis zum Rand mit schmelzendem Schnee gefüllter Topf. »Wo ist Nachtauge?«
»Auf der Jagd«, antwortete Kettricken. Mit sehr wenig Glück, kam von draußen der begleitende Kommentar. Er stand auf einer kleinen Anhöhe über unserer Jurte und hatte die Ohren flach an den Kopf gelegt. Ich konnte den Wind über sein Gesicht streichen fühlen. Nichts rührt sich in diesem Wetter. Ich weiß nicht, weshalb ich mir überhaupt die Mühe mache.
Dann komm zurück ins Warme , forderte ich ihn auf. Im selben Augenblick beugte Krähe sich vor und zwickte mich fest in den Arm. Mit einem Aufschrei zuckte ich zurück.
»Hör auf das, was wir sagen!«, herrschte sie mich an.
»Was denn? Was habt ihr denn beschlossen?«, fragte ich und rieb meinen Arm. Mir kam das Benehmen meiner Freunde äußerst befremdlich vor.
»Wir warten darauf, dass der Sturm aufhört.« Merle beugte sich vor und sah mir prüfend ins Gesicht. »Fitz, was ist los mit dir? Mir kommt es vor, als wärst du gar nicht wirklich hier.«
»Ich weiß nicht. Ich fühle mich wie in einem Traum. Und wenn ich mich nicht sehr anstrenge wach zu bleiben, schlafe ich sofort wieder ein.«
»Dann streng dich an«, sagte Krähe barsch. Ich konnte mir nicht denken, womit ich ihre Feindseligkeit verdient hatte.
»Vielleicht sollten wir ihn schlafen lassen«, meinte der Narr. »Er sieht müde aus, und danach zu urteilen, wie er sich die ganze Nacht im Schlaf herumgewälzt hat, können seine Träume nicht sehr erholsam gewesen sein.«
»Dann sollte er besser wach bleiben, als sich wieder solchen Träumen auszuliefern«, meinte Krähe unerbittlich. Sie bohrte mir unversehens den Finger zwischen die Rippen. »Erzähl uns was, Fitz.«
»Und was?«
Kettricken sprang Krähe mit ihren Fragen zur Seite. »Hast du letzte Nacht von Veritas geträumt?«, forschte sie. »Bist du vielleicht vom Gebrauch der Gabe so erschöpft?«
Ich seufzte. Man log seiner Königin nicht einfach so ins Gesicht. »Ja«, gab ich zu, doch als ich ihre Augen aufleuchten sah, beeilte ich mich hinzuzufügen: »Doch es war ein Traum, der Euch keinen Trost bringen wird. Er lebt und befindet sich an einem kalten, unwirtlichen Ort. Mehr wollte er mich nicht sehen lassen, und als ich fragte, wo sich dieser Ort befinde, gab er nur zur Antwort, ich solle ihn suchen.«
»Aber welchen Grund sollte er haben, so abweisend zu sein?«, fragte Kettricken. Ihr
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