Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
duldete keinen Widerspruch. Zieh dich zurück. Du bringst sie in Gefahr. Glaubst du, Edel und seine Handlanger hätten in ihrem Hass auf dich irgendwelche Skrupel, sie zu vernichten?
Von einem Lidschlag zum anderen war ich so bei Veritas. Um ihn war es kalt, windig und dunkel. Ich versuchte mehr von ihm und seiner Umgebung zu erkennen, doch er hinderte mich daran. So mühelos er mich gegen meinen Willen hierher versetzt hatte, so mühelos verschleierte er mir meine Augen. Die Stärke seiner Gabe war ziemlich furchterregend, doch ich spürte auch, wie müde er trotz seiner ungeheuren Macht war, sogar beinahe zu Tode erschöpft. Die Gabe war wie ein starker Hengst und Veritas das zerschlissene Seil, das ihn bändigte. Der Hengst war wild und sträubte sich gegen die Fessel, und das Seil durfte sich nicht um einen Deut lockern, ansonsten würde er sich losreißen und fliehen.
Wir sind auf dem Weg zu dir, teilte ich ihm mit, obwohl dies überflüssig war.
Ich weiß. Beeilt euch. Und tu das nicht wieder, denk nicht wieder zu ihnen und denke niemals mit Namen an unsere Feinde. Jedes Flüstern ist hier ein Schrei. Sie besitzen Fähigkeiten, von denen du nichts ahnst, und das in einer Stärke, gegen die du nichts vermagst. Wohin du auch gehst, deine Feinde können dir folgen. Also hinterlasse keine Spuren.
Aber wo bist du?, rief ich, als er mich von sich stieß.
Suche mich!, befahl er mir und schleuderte mich zurück in meinen Körper und mein eigenes Leben.
Getrieben von der Angst zu ersticken, fuhr ich aus meinen Decken empor und rang krampfhaft nach Luft. Es war so, als ob man beim Ringkampf ausgehoben und rücklings auf die Bretter geschmettert wurde. Ich hörte das verzweifelte Japsen, das ich von mir gab, während ich mich bemühte, Luft in meine Lungen zu saugen. Dann gelang mir endlich ein befreiender Atemzug. Ich schaute mich gleich darauf in der Jurte um. Der Schein der Glut im Feuerbecken reichte nicht weiter als bis zu der Stelle, wo Krähes zusammengerollte Gestalt zu sehen war. Draußen heulte der Sturm.
»Geht es dir gut?«, flüsterte mir der Narr zu.
»Nein.« - Dann legte ich mich wieder hin. Plötzlich war ich zu müde, um über irgendetwas nachzudenken, zu müde, um noch irgendein Wort zu sprechen. Der Schweiß auf meiner Haut trocknete, und ich begann zu zittern. Zu meiner Überraschung legte der Narr seinen Arm um mich. Dankbar für die gespendete Wärme rückte ich dichter an ihn heran. Auch das warme Mitgefühl meines Wolfs hüllte mich ein. Ich wartete noch darauf, ob der Narr versuchte, etwas Tröstendes zu sagen, doch er war zu weise, um es zu versuchen. In der Sehnsucht nach Worten, die es nicht gab, fiel ich in tiefen Schlaf.
KAPITEL 25
STRATEGIE
Sechs weise Männer sind nach Jhaampe gegangen,
Ihr Schicksal blieb in den Bergen gefangen.
Sie mussten verlieren, um zu gewinnen,
Sie flogen auf Flügeln aus Stein von hinnen.
Fünf weise Männer sind nach Jhaampe gegangen,
Ihnen ist es auf der Straße nicht gut ergangen.
Sie wurden zerteilt, zerstückt, zu einem gemacht,
So war am Ende die Arbeit nur halb vollbracht.
Vier weise Männer sind nach Jhaampe gegangen,
Sprachen wohl und blieben doch stumm.
Sie haben von ihrer Königin Urlaub genommen,
Doch von ihrem Schicksal ward nichts mehr vernommen.
Drei weise Männer sind nach Jhaampe gegangen,
Ein König sollte dank ihnen nicht um seine Krone bangen.
Doch als sie den Berg endlich erklimmen wollten,
Waren sie es, deren Köpfe nach unten rollten.
Zwei weise Männer sind nach Jhaampe gegangen,
Fanden dort Frauen ganz sanft und nicht dumm.
Sie vergaßen der Pflicht und trafen die Wahl,
Sie waren wohl klüger als die andren zumal.
Ein weiser Mann ist nach Jhaampe gegangen,
Hat nicht weiter an Königin und Krone gehangen.
Er vollbrachte das Werk und schlummerte ein,
Er hat lange geschlafen und wurde zu Stein.
Kein weiser Mann wird so bald mehr nach Jhaampe gelangen,
Den Berg zu ersteigen und auch die Rückkehr zu erlangen.
Denn viel klüger ist es und mutiger zudem,
Man bleibet zu Hause und hat es bequem.
»Fitz? Bist du wach?« Das Gesicht des Narren befand sich dicht über mir. Er schien außerordentlich besorgt zu sein.
»Ich glaube schon.« Ich schloss die Augen. Bilder und Gedanken flackerten durch mein Bewusstsein, und es war für mich nicht mehr zu unterscheiden, welche davon mir gehörten, - aber war es denn wichtig, das zu wissen?
»Fitz,!« Jetzt war es Kettricken, die mich
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