Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
noch festhalten. Während sie ihre Bluse zuknöpft, bemerkt sie mit einem matten Lächeln: »Ich glaube, ich habe ein Zähnchen gespürt. Vielleicht ist sie so unruhig, weil sie zahnt?«
»Ein Zahn? Lass mich sehen!«, ruft Burrich und beugt sich über die Kleine, um sich von Molly den winzigen weißen Halbmond in ihrem Unterkiefer zeigen zu lassen. Meine Tochter weicht der Berührung aus und runzelt im Schlaf die Stirn. Burrich nimmt sie Molly behutsam aus den Armen, trägt sie hinüber zum Bett und legt sie hinein. Beim Feuer nimmt Molly den Deckel vom Topf und rührt die Grütze um.
»Ich werde für euch beide sorgen«, sagt Burrich unbeholfen. Während er spricht, hält er den Blick unverwandt auf das schlafende Kind gerichtet. »Ich bin noch nicht zu alt zum Arbeiten. Solange ich imstande bin, eine Axt zu schwingen, können wir im Dorf Feuerholz verkaufen oder gegen Waren eintauschen. Wir werden unser Auskommen haben.«
»Du bist überhaupt nicht alt«, antwortet Molly geistesabwesend und gibt eine Prise Salz in die Grütze, dann legt sie den Deckel wieder auf, geht zu ihrem Stuhl und setzt sich hin. Aus einem Korb neben sich zieht sie ein zerrissenes Hemd und dreht es hin und her, um zu sehen, wo man Nadel und Faden ansetzen muss. »Du scheinst jeden Morgen als ein neuer Mensch aufzuwachen. Sieh dir hier nur einmal dein Hemd an, die Schulternaht ist aufgerissen wie von einem heranwachsenden Burschen. Ich glaube, du wirst täglich jünger, ich dagegen fühle mich, als liefe mir die Zeit davon. Und ich kann nicht ewig auf deine Kosten leben, Burrich. Ich muss wieder mein eigenes Leben führen. Nur im Augenblick weiß ich nicht, wie und wo.«
»Dann mach dir vorläufig auch noch keine Gedanken darüber«, sagt er aufmunternd. Er tritt hinter ihren Stuhl und hebt die Hände, als wollte er sie auf ihre Schultern legen; doch stattdessen verschränkt er die Arme vor der Brust. »Bald kommt der Frühling. Wir werden einen Garten anlegen, und im Bach gibt es wieder Fische. Unten in Kapelan finde ich vielleicht Tagelöhnerarbeit. Du wirst sehen, wir werden uns schon durchschlagen.«
Seine Zuversicht wirkt ansteckend. »Ich sollte jetzt anfangen und aus Stroh ein paar Bienenkörbe flechten. Mit viel Glück gelingt es mir vielleicht, einen Schwarm einzufangen.«
»Ich kenne eine Blumenwiese oben in den Hügeln, wo im Sommer die Bienen so dick durch die Luft schwirren wie im Winter die Schneeflocken. Vielleicht sollten wir die Körbe dort aufstellen?«
Molly lächelt in sich hinein. »Sie sind nicht wie Vögel, Dummkopf. Sie schwärmen nur, wenn das Volk zu groß wird. Wir könnten auf diese Art sehr wohl einen Schwarm einfangen, aber nicht vor dem Hochsommer oder Herbst. Wir machen es aber anders: Im Frühling, wenn die ersten Bienen sich rühren, werden wir versuchen, ein Nest zu finden. Als ich klein war, habe ich meinem Vater geholfen Bienen aufzustöbern, noch bevor ich lernte, ein Volk über den Winter zu bringen. Man stellt einen Teller mit warmem Honig hin, um sie anzulocken. Dann kommt zuerst eine und darauf nach und nach die anderen. Wenn man gut darin ist, und das bin ich, kann man ihren Weg zum Nest zurückverfolgen. Das ist natürlich erst der Anfang. Dann muss man die Bienen aus dem Baum heraus- und in einen vorbereiteten Korb hineinscheuchen. Manchmal, wenn es ein kleiner Baum ist, schneidet man einfach die Äste ab und nimmt das ganze Nest mit.«
»Stechen sie dich nicht?«, fragte Burrich ungläubig.
»Nicht, wenn man es richtig macht.«
»Das musst du mir zeigen.«
Molly wendet den Kopf, um zu ihm aufzuschauen. Sie lächelt, aber es ist nicht ihr altes Lächeln. Dieses Lächeln weiß, dass oft alles ganz anders kommt, als man denkt; aus ihm spricht die Erfahrung, wie trügerisch Hoffnungen sein können. »Wenn du mir Lesen und Schreiben beibringst. Lacey und Philia haben damit angefangen, und ich kann nun zwar ein wenig lesen, aber das Schreiben fällt mir noch schwer.«
»Ich werde dich unterrichten, und du wirst es Nessel lehren«, verspricht er.
Nessel. Sie hat meine Tochter Nessel genannt, nach der Pflanze, die sie liebt, obwohl sie sie brennt, wenn sie beim Sammeln nicht aufpasst. Waren das ihre Gefühl für unsere Tochter - Freude mit Schmerz gemischt?
Unterdessen versuchte etwas, meine Aufmerksamkeit zu erregen, doch ich war nicht gewillt, mich ablenken zu lassen. Wenn ich Molly vorläufig nur auf diese Art nahekommen konnte, so wollte ich es auch ganz und gar auskosten.
Nein. Veritas
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