Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Strafe, dass es etwas falsch gemacht hat.«
Burrich schüttelt den Kopf. »Ich würde gern den Idioten ›bestrafen‹, der dir so etwas eingebläut hat«, sagt er, und sein altes jähzorniges Temperament kommt für einen Moment zum Vorschein. »Was hast du denn tatsächlich durch die Misshandlungen deines Vaters gelernt?«, fragt er. »Dass es Schwäche ist, deinem Kind Liebe zu schenken? Dass Nachsicht schädlich ist? Und dass es sich für einen Erwachsenen nicht gehört, das Kind auf den Arm zu nehmen, wenn es weint, weil es seine Mutter braucht?«
»Ich will nicht über meinen Vater sprechen«, antwortet Molly, aber sie hat etwas von ihrer Angriffslust verloren. Sie streckt die Hände nach unserer Tochter aus wie ein Kind nach seinem Lieblingsspielzeug, und Burrich überlässt ihr die Kleine. Molly setzt sich auf die Steine vor der Feuerstelle und öffnet ihre Bluse. Das Kind sucht gierig nach ihrer Brust und ist augenblicklich still. Eine Zeitlang hört man nur den Wind draußen, das Blubbern des Kochtopfs und das Brechen der Zweige, mit denen Burrich das Feuer schürt.
»Du hast bei Fitz auch nicht immer Geduld bewahrt, als er klein war«, sagt Molly vorwurfsvoll.
Burrich stößt ein kurzes, schnaubendes Lachen aus. »Ich glaube, jedem Menschen wäre bei diesem Bengel der Geduldsfaden gerissen. Als er zu mir kam, war er fünf oder sechs, und ich wusste nichts von ihm. Außerdem war ich ein junger Mann, mit vielen anderen Interessen. Ein Fohlen kann man auf die Koppel stellen, einen Hund eine Zeitlang anbinden. Bei einem Kind geht das nicht. Nicht für einen Augenblick kann man vergessen, dass man ein Kind hat.« Er zuckt hilflos die Schultern. »Bevor ich mich versah, war er der Mittelpunkt meines Lebens geworden.« Eine unbeholfene kleine Pause. »Dann haben sie ihn mir weggenommen, und ich habe es zugelassen... Und nun ist er tot.«
Schweigen. Ich sehne mich verzweifelt danach, zu ihnen hinauszugreifen und ihnen zu sagen, dass ich lebe. Aber ich kann es nicht. Ich kann sie hören, ich kann sie sehen, aber ich kann sie nicht erreichen. Wie der Wind, der ums Haus streicht, heule ich und trommle ich vergeblich gegen die Wände.
»Was soll ich tun? Was wird aus mir werden?«, fragt Molly plötzlich ins Leere hinein. Die Verzweiflung in ihrer Stimme ist herzzerreißend. »Hier bin ich - ein Kind und kein Ehemann und keine Möglichkeit, mich durchzubringen. All meine Ersparnisse sind aufgebraucht.« Sie schaut Burrich an. »Ich war so dumm. Ich habe immer geglaubt, er würde mich suchen und würde mich heiraten. Er hat es nicht getan. Und nun wird er es niemals tun.« Den Säugling an der Brust, wiegt sie sich hin und her. Tränen strömen über ihre Wangen. »Glaub nicht, ich hätte den alten Mann heute nicht gehört, der gesagt hat, er hätte mich in Burgstadt gesehen und ich wäre die Hure des Bastards mit der Alten Macht. Wie lange wird es dauern, bis die Geschichte hier an der Küste und in Kapelan die Runde gemacht hat? Ich kann mich unten im Dorf nicht mehr sehen lassen.«
Bei ihren Worten sinkt Burrich in sich zusammen. Er stützt die Ellbogen auf die Knie und nimmt den Kopf in die Hände. »Ich hoffte, du hättest ihn nicht gehört. Wäre er nicht so steinalt gewesen, hätte ich ihn für sein Lästermaul zur Rechenschaft gezogen.«
»Du kannst nicht jemanden schlagen, weil er die Wahrheit sagt«, erklärt Molly kläglich.
Burrich hebt ruckartig den Kopf. »Du bist keine Hure!«, widerspricht er heftig. »Du warst seine Gemahlin. Es ist nicht deine Schuld, wenn fast keiner davon wusste!«
»Seine Gemahlin«, wiederholt Molly spöttisch. »Das war ich nicht, Burrich. Er hat mich nie geheiratet.«
»Aber mir gegenüber hat er von dir nur als seiner Frau gesprochen. Ich schwöre dir, wäre er nicht gestorben, dann wäre er bestimmt zu dir gekommen. Er hatte immer die Absicht, dich zu seiner Frau zu machen.«
»O ja, er hatte ja so viele Absichten. Und viele Lügen hat er mir erzählt. Absichten sind keine Taten, Burrich. Wäre jedes Eheversprechen, das ein Mann einer Frau gegeben hat, eingelöst worden, nun, dann gäbe es ziemlich viele Bastarde weniger auf der Welt.« Sie richtet sich auf und wischt mit einer entschiedenen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht. Burrich erwidert nichts auf ihre letzten Worte. Sie senkt den Blick auf ihre Tochter, die über dem Trinken eingeschlafen ist, und schiebt ihr den kleinen Finger in den Mund, um ihre Brustwarze zu befreien, die die halbgeöffneten Lippen
Weitere Kostenlose Bücher