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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war furchtbar, alles nur erraten zu können.
    An diesem Abend war ich niemandem eine große Hilfe. Ich versuchte, meinen Anteil an den Arbeiten zu übernehmen, aber die anderen ließen es nicht zu. Etliche Male wurde ich von Krähe gekniffen oder angestoßen und angeblafft: »Wach auf!« Bei einer Gelegenheit war ich so fasziniert von den Bewegungen ihrer Lippen beim Sprechen, dass ich gar nicht bemerkte, wie sie sich abwandte und wegging. Ich kann mich auch nicht daran entsinnen, was ich gerade tat, als ihre knochige Hand meinen Nacken fest umklammerte. Sie drückte meinen Kopf nach vorn und hielt ihn fest, während sie nacheinander auf jeden Stein auf dem Spieltuch deutete. Sie gab mir einen schwarzen Stein in die Hand. Eine Weile starrte ich nur auf das Tuch mit dem Linienmuster, dann erfuhr ich plötzlich diese Veränderung in der Wahrnehmung, und es gab keinen Abstand mehr zwischen mir und dem Spiel. Ich versuchte, von verschiedenen Positionen aus zu gewinnen. Schließlich fand ich den perfekten Zug, und als ich meinen Stein auf meinen Zielpunkt setzte, war es, als hätte jemand einen Schleier zwischen mir und der Welt beiseitegezogen. Ich hob den Blick und musterte meine Reisegefährten.
    »Es tut mir leid«, sagte ich bedrückt. »Es tut mir leid.«
    »Besser jetzt?«, erkundigte sich Krähe behutsam. Sie sprach zu mir, als wäre ich ein kleines Kind.
    »Ich bin fast wieder ich selbst.« Von plötzlicher Verzweiflung ergriffen, schaute ich ihr ins Gesicht. »Was ist mit mir geschehen?«
    »Die Gabe«, antwortete sie kurz. »Du bist einfach nicht stark genug für sie. Um ein Haar wärst du der Straße dorthin gefolgt, wo seit langem keine Straße mehr ist. An einer Art Wegweiser dort hat sich die Straße früher tatsächlich einmal gegabelt - eine Abzweigung führte hinunter ins Tal, die andere weiter den Berg hinauf. Der Pfad zum Dorf endet aber inzwischen im Nichts, weil er vor langem von einem Bergrutsch weggerissen worden war. Unten gibt es nur einen großen Geröllhaufen, aber man kann erkennen, wo der Weg wieder zum Vorschein kommt und in der Ferne in einem weiteren Trümmerfeld verschwindet. Veritas kann unmöglich diese Richtung eingeschlagen haben, aber du wärst fast einer alten Erinnerung in den Tod gefolgt.« Sie verstummte und schaute mich ernst an. »Zu meiner Zeit... - Du bist nicht gründlich genug in der Gabe unterwiesen, um zu tun, was du getan hast, geschweige denn, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Wenn das alles ist, was man dich gelehrt hat... Bist du denn überhaupt sicher, dass Veritas lebt?«, fragte sie plötzlich in zweifelndem Ton. »Dass er, allein auf sich selbst angewiesen, die Prüfung gemeistert hat?«
    Ich beschloss, dass einer von uns beiden mit der Geheimniskrämerei ein Ende machen musste. »Ich habe ihn gesehen, in einem Gabentraum. In einer Stadt voller Menschen, wie sie uns heute auch begegnet sind. Er tauchte seine Hände und Arme in einen magischen Fluss, dann ging er davon und war erfüllt von großer Macht.«
    »Gott der Fische!«, flüsterte Krähe. Entsetzen und Ehrfurcht spiegelten sich auf ihrem Gesicht.
    »Wir sind heute keinem einzigen Menschen begegnet«, wandte Merle ein. Erst als sie sprach, fiel mir auf, dass sie sich neben mich gesetzt hatte. Ich zuckte zusammen. Wie war es möglich, dass jemand mir so nahe kommen konnte, und ich merkte es nicht?
    »Jeder, der auf dieser Straße gegangen ist, hat etwas von seiner Aura zurückgelassen. Eure Sinne vermögen dergleichen nicht wahrzunehmen, aber Fitz ist für diese Einflüsse empfänglich und ihnen schutzlos ausgeliefert.« Krähe lehnte sich mit dem Rücken gegen ihr zusammengerolltes Bettzeug, und die Falten in ihrem Gesicht vertieften sich. »Wie kann ein so unreifer Bengel wie er der Wandler sein?«, fragte sie, ohne von jemandem eine Antwort zu erwarten. »Du weißt nicht einmal, wie du dich selbst vor Schaden bewahren sollst. Wie solltest du dann imstande sein, die Welt zu retten?«
    Der Narr beugte sich von seinem Platz zu mir hinüber und griff nach meiner Hand. Seine Berührung schenkte mir Kraft. »Von großer Weisheit und Heldenmut war in den Prophezeiungen nie die Rede. Nur von Beharrlichkeit. Was sagt dein Weißer Stein? ›Sie fallen gleich Regentropfen auf die steinernen Türme der Zeit, doch wisse, es ist immer der Regen, der überdauert, nicht der Turm.‹« Er drückte aufmunternd meine Hand.
    »Deine Finger sind wie Eis«, sagte ich, als er mich losließ.
    »Nicht nur meine

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