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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Boden. Diesmal fiel ich so, dass ich am Rand der Straße kniete und in die Tiefe blickte. Der Schreck und der Schmerz holten mich aus meiner geistigen Umnächtigung, das bunte Treiben war plötzlich vorüber und ich mit dem Wolf allein.
    »Nachtauge!«, beschwerte ich mich. »Lass mich aufstehen!«
    Doch er nahm mein Handgelenk zwischen die Zähne und zerrte mich mit eingestemmten Vorderpfoten weg von dem Abgrund. Ich hatte nicht geahnt, dass er so stark war, oder vielmehr, ich hatte nie vermutet, ich könnte diese Stärke eines Tages zu spüren bekommen. Mit der freien Hand schlug ich nach ihm, fluchte und bemühte mich, auf die Füße zu kommen. Einer seiner Zähne war durch Stoff und Haut gedrungen, und ich fühlte Blut an meinem Arm entlangrinnen.
    Wie aus dem Nichts erschienen Kettricken und der Narr links und rechts neben mir, umfassten meine Oberarme und stellten mich auf die Beine.
    »Er ist verrückt geworden!«, keuchte ich, als Merle angelaufen kam.
    »O Wolf«, rief sie und ließ sich auf die Knie fallen, um ihn in die Arme zu schließen. Nachtauge hielt still und ließ sich ihre Umarmung offenbar gern gefallen.
    »Was ist in dich gefahren?«, stellte ich ihn zur Rede. Er schaute zu mir auf, machte jedoch keine Anstalten, sich zu rechtfertigen.
    Meine erste Reaktion war dumm, denn ich hob die Hände an die Ohren. Doch sie waren nie das Tor zwischen Nachtauge und mir gewesen. Er winselte, und das hörte ich deutlich. Es war aber nichts weiter als das Winseln eines Hundes. »Nachtauge!«, rief ich. Er stellte sich auf die Hinterbeine und stemmte die Vorderpfoten gegen meine Brust. Fast konnte er mir in die Augen sehen. Ich empfing nur einen schwachen Widerhall seiner Angst und Besorgnis, aber mehr nicht. Ich spürte mit der Alten Macht zu ihm hin, konnte ihn aber nicht finden. Keinen von ihnen konnte ich darin spüren. Als wären sie alle entfremdet worden.
    Ich schaute in ihre aufgeregten Gesichter und bemerkte, dass sie mit erhobenen, schrillen Stimmen wild auf mich einredeten. »Was war los? Was war los?«, riefen sie und mit »Fitz, Fitz, Fitz!« auch meinen Namen. Ja, sie meinten mich, nehme ich an, aber es kam aus so vielen Mündern... und es waren so viele verschiedene Bilder von mir, von Fitz, und Gründe, weshalb sie mit ihm sprechen wollten. Die Worte erschienen mir wie ein seltsames Geplänkel. Ich konnte nicht begreifen, was sie mir vermitteln wollten. Es war wie beim Feilschen mit ausländischen Händlern, das Gestikulieren, das Stirnrunzeln oder das entgegenkommende Lächeln, aber es war doch gleichzeitig nur ein Raten, immer nur raten, was der andere wirklich meint.
    »Still, bitte«, sagte ich. »Seid bitte still!« Ich wollte nur, dass sie ruhig waren, mit ihrem Geplapper und Lärm aufhörten, aber da fesselten die gerade von mir ausgesprochenen Worte meine Aufmerksamkeit. »Bitte«, wiederholte ich und staunte über die vielerlei Geräusche, die aus meinem Mund kamen, und die Bewegungen, die er ausführen musste, um diese unzulänglichen Laute hervorzubringen. »Still!«, sagte ich noch einmal langsam vor mich hin und erkannte, dass das Wort zu viele Bedeutungen hatte, um wirklich etwas zu bedeuten.
     
    So viele Laute, um ein Wort zu bilden, so viele Worte, um einen Gedanken zu formulieren - nie zuvor hatte ich mir darüber Gedanken gemacht. Ich stand vor ihnen, so durchtränkt vom Fluidum der Gabe in dieser Straße, dass zu sprechen mir ebenso primitiv vorkam, wie Haferbrei mit den Fingern zu essen. Worte waren langsam und ungenau, verschleierten ebensoviel an Bedeutung, wie sie vermittelten. »Fitz, bitte, du musst...«, sagte Kettricken, und ich war so sehr davon in Anspruch genommen, jede mögliche Bedeutung dieser vier Worte auszuloten, dass ich nicht hörte, was sie weiter noch sagte.
    Der Narr griff nach meiner Hand und führte mich in die Jurte. Er brachte mich dazu, dass ich mich hinsetzte, zog mir die Mütze, die Fäustlinge und den Übermantel aus; dann drückte er mir stumm einen heißen Becher Tee in die Hände. Das konnte ich alles noch begreifen, aber das hastige, aufgeregte Sprechen der anderen untereinander erinnerte mich eher an das verstörte Gackern aufgescheuchter Hühner. Der Wolf legte sich neben mir hin und bettete seinen Kopf auf meinen Oberschenkel. Ich streichelte seine breite Stirn und spielte mit den weichen Ohren. Er drückte sich fester an mich, wie als wortlose Aufforderung, und ich kraulte ihn hinter den Ohren, weil ich dachte, das wolle er vielleicht. Es

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