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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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fühlte ich mich seltsam abgestumpft. Ich trank den Rest aus meinem Becher und wartete auf den Energieschub, der gewöhnlich mit dem Genuss von Elfenrinde einherging. Diesmal blieb er aus.
    »Ich glaube, du hast zu wenig genommen«, sagte ich zu Krähe.
    »Es war genug«, antwortete sie mit Nachdruck. »Alles in Maßen.« Sie hörte sich an wie Molly, wenn sie fand, dass ich zu viel trank. Ich riss mich zusammen, um nicht von der Flut der Erinnerungen, die von dem Gedanken an Molly ausgelöst wurden, überwältigt zu werden, doch nichts geschah. Schwer zu sagen, ob ich eher erleichtert war oder enttäuscht. Ich sehnte mich danach, sie und Nessel zu sehen. Andererseits hatte Veritas mich davor gewarnt... Mit einiger Verspätung meinte ich zu Kettricken: »Veritas hat zu mir gedacht. Gerade eben.« Dann allerdings, als ich ihr Gesicht aufleuchten sah, verfluchte ich mich als hoffnungslosen Einfaltspinsel. »Es war keine Botschaft«, schränkte ich hastig ein, »nur eine erneute Mahnung, nicht von der Gabe Gebrauch zu machen. Er glaubt immer noch, dass andere vielleicht auf diesem Wege nach mir suchen.«
    Ihr Gesicht wurde ernst, und sie schüttelte wie ungläubig den Kopf. »Er hatte keine Nachricht für mich, keinen Gruß?«
    »Ich denke, er weiß nicht, dass Ihr bei mir seid«, umging ich eine direkte Antwort.
    »Keinen Gruß«, wiederholte sie tonlos, als hätte sie mich nicht gehört. Ihre Augen waren trüb, als sie fragte: »Weiß er, wie sehr ich ihn enttäuscht habe? Weiß er von unserem... unserem Kind?«
    »Ich glaube nicht, Majestät. Ich nahm keine solche Trauer in ihm wahr, doch ich weiß, wie sehr es ihn schmerzen würde.«
    Kettricken schluckte. Ich verfluchte meine unbeholfenen Worte, und doch: War es an mir, seiner Gemahlin Worte der Liebe und des Trostes zu schenken? Sie straffte die Schultern und stand auf. »Ich denke, ich werde noch etwas Feuerholz holen«, verkündete sie, »und den Jeppas eine Ration Körnerfutter geben. Hier gibt es kaum einen Zweig, an dem sie nagen können.«
    Ich schaute ihr nach, wie sie aus der Jurte in die kalte, stille Nacht hinaustrat. Niemand sagte ein Wort. Nach einer Weile stand ich ebenfalls auf und folgte ihr. »Bleib nicht zu lange«, warnte Krähe mich in düsterem Ton. Der Wolf folgte mir nach draußen.
    Die Nacht war frostig und klar; der Wind nicht schlimmer als gewöhnlich. Vertraut gewordene Unannehmlichkeiten lassen sich schon wieder beinahe ignorieren. Kettricken sammelte weder Holz, noch fütterte sie die Jeppas. Beide Arbeiten waren längst getan worden. Sie stand an der Stelle, wo die Straße abbrach, und starrte in den Abgrund zu ihren Füßen. Ihre aufrechte, steife Haltung war die eines Soldaten, der seinem Vorgesetzten Meldung macht. Sie gab keinen Laut von sich. Aber ich wusste, dass sie weinte.
    Alles hat seine Zeit, ob es nun höfische Etikette, förmliches Protokoll oder schlichte Menschlichkeit ist. Ich trat zu ihr, nahm sie bei den Schultern und drehte sie zu mir herum. Sie strahlte unsäglichen Jammer aus. Der Wolf neben mir winselte in hohen Tönen.
    »Kettricken«, sagte ich einfach. »Er liebt dich. Er wird dir keine Schuld geben. Er wird trauern, denn wer würde das nicht? Was Edels Taten anbetrifft, das sind Edels Taten, für die du nicht die Verantwortung trägst. Du hättest ihm nicht Einhalt gebieten können.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und blickte stumm an mir vorbei. Im Sternenschein war ihr Gesicht eine bleiche, starre Maske. Sie seufzte schwer, aber ich konnte spüren, wie der Kummer an ihr nagte. Ich legte die Arme um meine Königin, zog sie an mich und drückte ihr Gesicht an meine Schulter. Unter meiner Hand auf ihrem Rücken fühlte ich die ungeheure Spannung in ihrem Körper.
    »Alles wird gut«, log ich. »Alles wird gut, nur Geduld. Ihr werdet wieder zusammen sein, ihr werdet ein anderes Kind haben, und nebeneinander werdet ihr im Thronsaal von Bocksburg sitzen und den Musikanten lauschen. Es wird Frieden herrschen. Du hast Bocksburg nie im Frieden erlebt. Veritas wird Muße haben zum Jagen und Fischen, und du wirst ihn dabei begleiten. Wie früher wird er gleich dem Nordwind durch die Burg stürmen, und seine Rufe und sein Lachen werden durch die Gemächer hallen.
    Ich tätschelte Kettrickens Rücken, als wäre sie ein Kind, und erzählte ihr Geschichten von dem freimütigen, offenherzigen Mann, an den ich mich aus meiner Kindheit erinnerte. Eine Weile ruhte ihre Stirn an meiner Schulter, und sie

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