Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
mit mir. Sag mir, hast du die Lösung für die Aufgabe gefunden, die ich dir gestellt habe?«
    »Noch nicht«, musste ich ihr eingestehen. Die Tage waren zwar wärmer, aber der kalte Wind, der uns jetzt entgegenblies, berichtete von dem Eis auf den höheren Gipfeln. Wenn ich daran dachte, konnte ich schon die Kälte an den Wangen spüren, doch die Straße riet mir, nicht darauf zu achten. Dabei sagten mir meine Augen zwar, dass sie steil nach oben führte; dennoch schritt ich so mühelos voran, als ginge es bergab.
    Wieder kniff Krähe mich in den Arm. »Denk über die Aufgabe nach«, forderte sie mich barsch auf. »Und lass dich nicht täuschen. Dein Körper spürt die Anstrengung und friert. Dass du es nicht ständig wahrnimmst, bedeutet keineswegs, dass du es ignorieren solltest. Schone deine Kräfte.«
    Ihre Worte erschienen mir gleichzeitig absurd und sehr klug. Ich passte meinen Schritt dem ihren an. »Den anderen scheint es nichts auszumachen«, bemerkte ich.
    »Stimmt, aber sie sind weder alt noch empfänglich für die Gabe. Wenn ihnen heute Abend die Glieder schmerzen, werden sie morgen gescheiter sein. Diese Straße wurde in der Annahme gebaut, dass die Reisenden, die sie benutzten, entweder nichts von den subtilen Einflüssen der Gabe spürten oder darin geschult waren, dem zu begegnen.«
    »Wie kommt es, dass du so viel darüber weißt?«, fragte ich.
    »Willst du etwas über mich herausfinden oder über die Straße?«, erwiderte sie gereizt.
    »Beides, um ehrlich zu sein.«
    Darauf antwortete sie nichts. Nach einer Weile fragte sie mich: »Kannst du deine Kinderreime noch auswendig?«
    Ich konnte mir selbst nicht erklären, weshalb mich diese Frage so wütend machte. »Nein!«, antwortete ich bissig. »Ich habe keine Erinnerung an die ersten Jahre meines Lebens, wenn die meisten Kinder so etwas lernen. Wahrscheinlich könnte man eher sagen, dass ich stattdessen mit Stallgereimtheiten aufgewachsen bin. Soll ich dir die fünfzehn Tugenden eines guten Pferdes aufsagen?«
    »› Sechs weise Männer sind nach Jhaampe gegangen‹ wäre angebrachter.« Ihr Ton war eisig. »Zu meiner Zeit lernten die Kinder ihre Wissensreime nicht nur auswendig, sie wussten auch, was sie bedeuteten. Dies ist der Berg aus dem Lied, du unwissender Welpe! Den kein weiser Mann hinaufsteigt und erwartet, wieder heil hinunterzukommen!«
    Mir lief ein Schauer über den Rücken. In meinem Leben war es einige Male vorgekommen, dass sich mir eine symbolische Wahrheit enthüllte und in ihrer furchterregenden Nacktheit entgegentrat. So wie jetzt. Krähe hatte mir vor Augen gehalten, was ich im Hintergrund meines Bewusstseins seit Tagen ahnte.
    »Die weisen Männer waren Gabenkundige, nicht wahr?«, fragte ich leise. »Sechs und fünf und vier... Zirkel und die Überbleibsel von Zirkeln...« Mein Verstand stürmte die Treppe der Logik hinauf und ersetzte dabei die meisten Stufen durch Intuition. »Das ist also aus den alten Gabenkundigen geworden, die wir nicht finden konnten. Als nämlich Galens Zirkel sich nicht bewährte, und als Veritas mehr Hilfe brauchte, um Bock zu verteidigen, suchten er und ich nach älteren Gabenkundigen, solchen, die noch von Solizitas ausgebildet worden waren, bevor Galen Gabenmeister wurde. Wir hatten Mühe, wenigstens einige Namen zu finden, und sie waren alle entweder gestorben oder verschwunden. Wir dachten an Verschwörung und Verrat!«
    Krähe schnaubte. »Verrat wäre in Zirkeln auch nichts Neues gewesen. Doch meistens geschah etwas ganz anderes. Je tiefer die Kundigen in das Mysterium der Gabe eindrangen, desto empfänglicher wurden sie für ihre Schwingungen, bis irgendwann die Gabe sie zu sich rief. War man stark genug, konnte man die Reise auf dieser Straße überleben. Wenn nicht, war man verloren.«
    »Und wenn man Erfolg hatte?«, fragte ich.
    Krähe schaute mich aus den Augenwinkeln heraus an, sagte jedoch nichts.
    »Und was befindet sich am Ende dieser Straße? Wer hat sie gebaut? Wohin führt sie?«
    »Veritas«, antwortete sie endlich ruhig. »Sie führt zu Veritas. Du und ich, wir brauchen nicht mehr zu wissen als das.«
    »Aber du weißt mehr darüber!«, warf ich ihr vor. »Und ich auch. Sie führt außerdem zum Ursprung aller Magie.«
    Ein Ausdruck der Bestürzung flog über ihr Gesicht, dann wurde es hart. »Ich weiß gar nichts«, wehrte sie schroff ab, um nach kurzer Besinnung versöhnlicher hinzuzufügen: »Natürlich denkt man sich seinen Teil, und man hört dies und das. Sagen,

Weitere Kostenlose Bücher