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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wir Abstand zueinander. Sobald ein Wild aufspringt, können wir es uns gegenseitig zutreiben.«
    Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Unser Weg führte in eine vom Menschen unberührte nächtliche Wildnis. Es roch nach Frühling, und die Luft war erfüllt vom Chor der Frösche und Insekten. Ziemlich bald entdeckte ich einen Wildwechsel und entschloss mich, ihm zu folgen. Merle folgte mir nicht ganz lautlos, aber auch nicht ungeschickt. Wenn man durch den Wald geht, sei es bei Tag oder bei Nacht, dann kann man sich entweder im Einklang mit ihm bewegen oder dagegen. Manche Menschen erfassen es instinktiv, andere lernen es nie. Merle bewegte sich mit dem Wald, duckte sich unter tiefhängenden Zweigen hindurch und wich anderen aus. Sie versuchte nicht, sich mit Gewalt einen Weg durch Gestrüpp zu bahnen, sondern drehte und wendete sich, um nicht von den Ruten und Ranken erfasst zu werden.
    Du hast all deine Sinne so sehr auf sie gerichtet, dass du ein Kaninchen nicht einmal sehen würdest, wenn du darauf trittst , spottete Nachtauge.
    Als hätte er es beschrien, sprang im selben Augenblick genau neben meinem Fuß ein Kaninchen aus einem Busch. Sofort setzte ich ihm nach. Es war schneller als ich, doch ich wusste, es würde wahrscheinlich einen Bogen schlagen, und Nachtauge war bereits unterwegs, um ihm den Weg abzuschneiden. Ich hörte Merle hinter mir hereilen, hatte aber keine Zeit, an sie zu denken, während ich dem kleinen Tier nachjagte, das um Baumstämme flitzte und unter Gebüschen hindurch. Zweimal hätte ich es fast erwischt, und zweimal entkam es hakenschlagend; aber schließlich sprang es doch aus meinen zupackenden Händen geradewegs in den Rachen des Wolfs.
    Ich war gerade dabei, unserer Beute den Bauch aufzuschlitzen und die Eingeweide für meinen vierbeinigen Jagdgefährten auf den Boden fallen zu lassen, als Merle uns einholte. Nachtauge schlürfte die Zwischenmahlzeit mit Genuss hinunter. Auf ein Neues, meinte er nur kurz und verschwand gleich wieder in der Dunkelheit.
    »Er überlässt dir das Fleisch einfach so?«, erkundigte sich Merle.
    »Er überlässt es mir nicht. Ich trage es für ihn. Er weiß, dass jetzt die beste Jagdzeit ist und hofft, gleich noch einmal Beute zu machen. Falls nicht, hat er die Gewissheit, dass ich das Fleisch für ihn aufbewahre und wir später teilen.« Ich befestigte das tote Kaninchen an meinem Gürtel und machte mich wieder auf den Weg. Der warme Körper schlenkerte bei jedem Schritt leicht gegen meinen Oberschenkel.
    »Ach so.« Merle folgte mir, und kurze Zeit später, wie als Antwort auf etwas, das ich gesagt hatte, fügte sie hinzu: »Ich finde deine Verschwisterung mit dem Wolf nicht abstoßend.«
    »Ich auch nicht.« Sie mochte die beste Absicht gehabt haben, aber die Wahl ihrer Worte ging mir gegen den Strich. Mit offenen Augen und Ohren pirschte ich meine Jagdstrecke entlang. Links von mir und ein Stück voraus hörte ich die leichten Schritte von Nachtauges Pfoten. Ich hoffte, er würde bald ein Wild aufstöbern und in meine Richtung treiben.
    Und wieder etwas später fügte Merle hinzu: »Und ich werde aufhören, den Narren ›sie‹ zu nennen. Was immer ich mir dazu auch denke.«
    »Gut.« Deswegen musste ich noch lange nicht meinen Schritt verlangsamen.
    Ich bezweifle, dass du heute Nacht als Jäger zu gebrauchen bist.
    Ich habe diese Situation nicht herbeigeführt.
    Ich weiß.
    »Bestehst du immer noch darauf, dass ich mich entschuldige?«, fragte Merle mit eher widerwilliger Stimme.
    »Ich... hm«, stammelte ich ratlos vor mich hin und schwieg.
    »Nun gut. Ich entschuldige mich also hiermit, Lord FitzChivalric.«
    Ich fuhr zu ihr herum. »Warum tust du das?«, verlangte ich zu wissen und konnte meinen Ärger nicht unterdrücken. Als ich Nachtauge nachspürte, war er bereits hinter den Hügelkamm verschwunden. Er hatte mich für diese Nacht als hoffnungslosen Fall aufgegeben.
    »Meine Königin hat mir zu verstehen gegeben, dass ich durch mein Verhalten die Harmonie in unserer Gruppe störe. Sie sagte, Lord FitzChivalric trüge so manche Last, von der ich nichts wüsste, und er hätte es nicht verdient, auch noch mein Missfallen ertragen zu müssen.«
    Ich fragte mich, wann all dies besprochen worden war, und musste schnell erkennen, dass ich, in mein eigenes Schicksal verstrickt, von den Strömungen und Stimmungen zwischen den Menschen um mich herum kaum etwas wahrnahm. »Dies alles ist vollkommen unnötig«, erwiderte ich und

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