Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Wunsch, wieder die Straße benutzen zu müssen«, gestand ich. »Selbst neben ihr herzugehen zehrt an meinen Kräften. Doch ich nehme an, es lässt sich nicht ändern.«
    »Nein.«
    Kettricken war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um für mich danach noch großes Mitgefühl aufbringen zu können. Ich betrachtete sie. Das einst glänzende flachsblonde Haar war zu einem kurzen, struppigen Zopf geflochten. Kälte und Wind hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen: schrundige Lippen und feine Linien um die Augen und den Mund. Dazu hatten sich vor Kummer und Sorge tief Falten auf ihrer Stirn und über der Nasenwurzel eingegraben. Ihre Kleidung war abgerissen und schäbig. Die Königin der Sechs Provinzen wäre so in Fierant nicht einmal als Kammerzofe angenommen worden. Plötzlich wünschte ich mir, sie mit meinen Gedanken berühren zu können, aber ich wusste nicht wie, und deshalb sagte ich nur: »Wir werden den Ort erreichen, und wir finden Veritas.«
    Sie hob die Augen und begegnete meinem Blick. Es sollte zuversichtlich klingen, als sie sagte: »Ja, das werden wir«, aber ich hörte nur trotzigen Mut aus ihrer Stimme heraus.
    Mittlerweile hatte sich beim Abbrechen des Lagers jeder Handgriff eingespielt. Wir bewegten uns wie eine Einheit, fast wie ein einziges Wesen. Wie ein Zirkel, dachte ich bei mir.
    Wie ein Rudel , korrigierte mich Nachtauge. Er kam und rieb seinen Kopf an meiner Hand. Ich unterbrach meine Arbeit, um ihn ausgiebig an Ohren und Kehle zu kraulen. Er schloss wohlig die Augen. Wenn dein Weibchen von dir verlangt, mich wegzuschicken, werde ich das sehr vermissen.
    Keine Bange, dazu wird es nicht kommen.
    Du glaubst, dass sie dich vor die Wahl stellen wird.
    Ich will jetzt nicht darüber nachdenken.
    Ah! Er ließ sich auf die Seite fallen und rollte sich dann auf den Rücken, damit ich auch sein Bauchfell streicheln konnte. Dabei bleckte er die Zähne zu einem wölfischen Grinsen. Du lebst im Jetzt und willst nicht daran denken, was kommt. Doch ich, ich merke, dass ich kaum an etwas anderes denken kann als an das, was uns vielleicht bevorsteht. Diese letzte Zeit war gut für mich, mein Bruder. Mit anderen leben, gemeinsam jagen, gemeinsam fressen. Aber die Mondsängerin gestern Nacht hatte Recht. Welpen machen ein Rudel. Und dein Junges...
    Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken. Erst einmal ist es schwer genug, den heutigen Tag zu überstehen, und dann muss noch so viel geschehen, bevor ich hoffen kann, nach Hause zurückzukehren.
    »Fitz? Geht es dir gut?«
    Es war Merle, die mich am Ellenbogen fasste und leicht schüttelte. Ich schaute sie an. Die Mondsängerin . Ich bemühte mich, ein Lächeln zu unterdrücken. »Keine Sorge. Ich war bei Nachtauge.«
    »Oh.« Sie richtete den Blick auf den Wolf, und ich konnte an ihrem Mienenspiel erkennen, wie sie sich bemühte, das Band zwischen uns zu erfassen. Sie zuckte die Schultern. »Bereit zum Aufbruch?«
    »Wenn alle anderen so weit sind.«
    »Sieht ganz danach aus.«
    Merle ging weg, um Kettricken beim Beladen des letzten Jeppas zu helfen. Ich hielt Ausschau nach dem Narren und sah ihn still auf seinem Bündel sitzen. Seine Hand ruhte leicht auf einem der steinernen Drachen, und wie am Abend zuvor ging sein Blick in eine unbestimmte Ferne. Ich trat von hinten leise an ihn heran. »Alles in Ordnung?«, fragte ich leise.
    Er zuckte nicht zusammen. Ihm war nie eine Überraschung anzumerken. Er hob nur den Blick seiner fahlen Augen und sah zu mir auf. Auf seinem Gesicht malte sich eine hilflose Sehnsucht, der nichts mehr von seinem gewöhnlich und stets im Hintergrund lauernden beißenden Spott innewohnte. »Fitz, hast du je das Gefühl gehabt, dich an etwas zu erinnern, doch als du danach greifen wolltest, konntest du nichts finden?«
    »Manchmal.« Ich nickte. »Das ist wohl jedem schon so ergangen.«
    »Nein. Was ich meine, ist anders«, widersprach er. »Seit ich gestern auf diesem Steinblock gestanden habe und plötzlich einen Blick in die versunkene Welt hineinwerfen konnte, verfolgen mich... Schatten von Erinnerungen. Wie er, zum Beispiel.« Er strich sanft über den keilförmigen Echsenschädel des Drachen. »Fast kommt es mir so vor, als hätte ich ihn gekannt.« Plötzlich schaute er mich fast beschwörend an. »Was hattest du gestern gesehen, ich meine, da hinten?«
    Ich zuckte die Schultern. »Eine Art Marktplatz gesäumt von Krämerläden, Menschen, die handelten und feilschten. Ein geschäftiger Tag.«
    »Hast du mich gesehen?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher