Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
er beinahe scheu.
»Ich weiß nicht genau.« Plötzlich war es mir unangenehm, darüber zu sprechen. »Wo du zuvor eigentlich warst, da stand jetzt jemand anderes. Eine Frau. Sie war dir in mancher Hinsicht ähnlich. Sie war sehr blass, hatte helle Augen und legte das Gebaren eines Possenreißers an den Tag. Du hattest ja bereits gestern ihre Krone beschrieben, mit geschnitzten Hahnenköpfen und -federn.«
»Wirklich? Fitz, ich habe fast alles vergessen. Ich erinnere mich nur an das Gefühl und daran, wie schnell es verging. Für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich der ganzen Welt verbunden. Als Teil eines Ganzen. Es war herrlich, wie eine aufblühende Liebe oder ein Blick auf vollkommene Schönheit oder...« Er rang nach Worten.
»So ist die Gabe«, erklärte ich ihm behutsam. »Du hast ihre Verführungskraft verspürt. Sie ist die große Gefahr für jeden Gabenkundigen, gegen die er sich abschirmen muss, um nicht davongetragen zu werden.«
»Dann habe ich also die Gabe kennengelernt«, sagte er vor sich hin.
»Als du damit zu dir kamst, warst du euphorisch. Du hast etwas von einem Drachen erzählt, den du uns vorstellen wolltest. Ziemlich wirres Zeug. Lass mich überlegen - du nanntest ihn Realders Drache. Und er hatte versprochen, mit dir zu fliegen.«
»Ach ja. Mein Traum letzte Nacht. Realder. Das war also dein Name«, und während er sprach, liebkoste er das Haupt des Drachen. Doch so wie er das tat, geschah etwas überaus Merkwürdiges. Die Alte Macht in mir loderte plötzlich auf, worauf auch gleich Nachtauge mit einem Satz an meiner Seite war. Sein Fell sträubte sich über seinen ganzen Rücken. Auch mir sträubten sich die Haare, und ich wich instinktiv zurück, weil ich im nächsten Augenblick erwartete, das Steinbildnis zum Leben erwachen zu sehen. Der Narr schaute uns verdutzt an. »Was ist?«
»Die Statue kommt uns überaus lebendig vor. Uns beiden, Nachtauge und mir. Und als du den Namen ausgesprochen hast, da schien sie sich zu regen.«
»Realder«, wiederholte der Narr langsam und deutlich. Ich hielt den Atem an, aber diesmal war nichts zu fühlen. Der Narr sah mich an, und ich schüttelte den Kopf. »Das ist nur Stein, Fitz. Ein Bildnis aus kaltem Stein. Vielleicht sind deine Nerven etwas angegriffen.« Er nahm freundschaftlich meinen Arm, und wir kehrten zu dem Platz zurück, wo unsere Jurte gestanden hatte. Die anderen waren schon nicht mehr zu sehen; nur Krähe hatte auf uns gewartet. Auf ihren Wanderstock gestützt, schaute sie uns mit fragenden Blicken entgegen. Unwillkürlich beschleunigte ich meinen Schritt. Als wir zu ihr aufschlossen, nahm sie meinen anderen Arm und befahl dem Narren mit einem herrischen Wink, schon einmal vorauszugehen. Wir verlangsamten dagegen unseren Schritt. Krähe schwieg, bis sie ihn außer Hörweite glaubte, dann umfasste sie meinen Arm stärker und mit einem fast stählernen Griff: »Nun?«
Einen Augenblick schaute ich sie verständnislos an. Dann ging mir ein Licht auf. »Ich habe die Lösung noch nicht gefunden.«
»Das zumindest ist völlig klar.« Sie saugte einen Moment lang an ihren Zähnen, musterte mich dann stirnrunzelnd, schien etwas sagen zu wollen und schüttelte schließlich wie in einer stummen Verneinung den Kopf. Meinen Arm bekam ich bei all dem allerdings nicht zurück.
Fast den ganzen Rest des Tages, während wir schweigend und Arm in Arm nebeneinander hergingen, grübelte ich über das Spielproblem nach.
Ich glaube, es gibt kaum etwas Langweiligeres, als auf demselben Weg zurückzugehen, auf dem man gekommen ist - besonders, wenn man es eilig hat, irgendwohin zu gelangen. Allerdings kamen wir nun auf dem bereits beschrittenen Pfad um einiges schneller voran. Der Wechsel der Jahreszeiten machte sich auch dadurch bemerkbar, dass es länger hell blieb, und so ließ Kettricken uns bis zum Einbruch der Dämmerung marschieren. Als wir an diesem Abend dann schließlich unsere Jurte aufbauten, lag nur noch ein Hügel und eine kleine Wegstrecke zwischen uns und dem Platz mit dem schwarzen Pfeiler. Wahrscheinlich hatte Kettricken meinetwegen beschlossen, hier draußen zu übernachten. Ich verspürte auch nicht den Wunsch, näher an diesem Kreuzweg zu schlafen als unbedingt nötig.
Sollen wir jagen?, fragte Nachtauge, sobald die Jurte stand.
»Ich gehe auf die Jagd«, teilte ich sogleich den anderen mit. Krähe schaute missbilligend auf.
»Halte dich fern von der Gabenstraße«, warnte sie mich.
Zu meiner Überraschung erhob sich jetzt
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