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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sein trüber, prüfender Blick erinnerte mich an Josh den Harfner. Dann öffneten sich die Lippen in dem wilden Bart und entblößten überraschend weiße Zähne. »Fitz?«, fragte er zweifelnd.
    Ich erkannte seine Stimme, obwohl sie sehr heiser klang. Diese Elendsgestalt musste Veritas sein, doch ich konnte es nicht glauben, konnte es nicht fassen, dass mein Prinz und König so heruntergekommen sein sollte. Er war nur noch ein Wrack von einem Menschen. Hinter mir hörte ich rasche Schritte, und als ich mich umschaute, sah ich Kettricken den Geröllhang hinaufeilen.
    »Veritas!«, rief sie aus vollem Herzen. Mit ausgestreckten Armen stürzte sie auf ihn zu, und ich hätte beinahe zu langsam reagiert, um sie einzufangen und festzuhalten, bevor sie ihn erreichte.
    »Nein!«, schrie ich. »Nein, fasst ihn nicht an!«
    »Veritas!«, rief sie wieder und wand sich in meinem Griff. »Lass mich, ich will zu ihm!« Ich vermochte sie kaum zu bändigen.
    »Nein«, wiederholte ich eindringlich, und wie man es oft erlebt, bewirkte das leise gesprochene Wort, was die laute Stimme nicht vermocht hatte. Kettricken hörte auf, sich zu sträuben und schaute mich fragend an.
    »Seine Hände und seine Arme sind vollkommen von Magie umhüllt. Ich weiß nicht, was geschieht, sollte er Euch berühren.«
    Sie wandte in meiner rauen Umarmung den Kopf, um ihren Gemahl anzusehen. Er stand da und betrachtete uns mit einem gütigen, wenn auch ratlosen Lächeln auf dem Gesicht. Dann bückte er sich bedächtig und legte das Schwert auf den Boden. Nun sah auch Kettricken, was ich bereits bemerkt hatte - nämlich den verräterischen Silberglanz an seinen Unterarmen und Händen. Veritas trug keine Panzerhandschuhe. Vielmehr war sein Fleisch von der reinen Substanz der Magie durchdrungen. Und der Fleck an seiner Wange war nicht etwa Staub, sondern ein Mal, wo er sich über das Gesicht gewischt hatte.
    Das Knirschen ihrer Schritte verriet mir, dass die anderen zu uns heraufkamen; ich brauchte nicht den Kopf zu wenden, um zu wissen, dass sie hinter mir standen und gleich mir glaubten, ihren Augen nicht trauen zu können. Endlich sagte der Narr mit bewegter Stimme: »Veritas, mein Prinz, wir sind gekommen.«
    Ich vernahm einen Laut zwischen einem Ächzen und einem Schluchzen, und als ich mich umdrehte, sah ich Krähe wanken. Eine Hand aufs Herz gedrückt, die andere vor dem Mund, sank sie kraftlos auf die Knie und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf Veritas’ Hände. Merle war sofort an ihrer Seite. Kettricken in meinen Armen versuchte ruhig, aber bestimmt, sich zu befreien, und ich ließ sie los. Sie näherte sich Veritas Schritt für Schritt. Er schaute ihr entgegen. Er verriet freundliches Interesse, aber aus seinem Gesicht waren weder ein Zeichen des Wiedererkennens noch der glücklichen Wiedersehensfreude herauszulesen. Erst kurz vor ihm blieb Kettricken stehen. Sie schaute ihn eine Weile an, dann schüttelte sie den Kopf, so als ob sie sich schon im Voraus selbst die Frage beantworten wollte, die sie dennoch stellte: »Mein Gemahl, erkennt Ihr mich denn nicht?«
    »Gemahl«, wiederholte er schwach. Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Sein Gesichtsausdruck wirkte wie der eines Mannes, der sich an etwas zu erinnern versucht, das er vor langer Zeit einmal auswendig gelernt hat. »Prinzessin Kettricken aus dem Bergreich. Sie wurde mir zur Gemahlin gegeben. Ein junger Wildfang, eine wilde kleine Bergkatze mit flächsernem Haar. Das war sie in meiner Erinnerung, bevor man sie zu mir brachte.« Ein flüchtiges Lächeln huschte um seine Augen. »In jener Nacht löste sich das Haar wie eine goldene Flut, und es war feiner als gesponnene Seide. So fein, dass ich es kaum zu berühren wagte mit meinen schwieligen Händen.«
    Ich sah, wie Kettricken zusammenzuckte. Bei der Nachricht von Veritas’Tod hatte sie ihr Haar bis auf einen fingerbreiten Rest abgeschnitten. Inzwischen reichte es wieder bis zu ihren Schultern, aber es war nicht mehr seidig, sondern von Sonne, Regen und Straßenstaub stumpf und strohig geworden. Dennoch löste sie ihren kurzen, dicken Zopf und schüttelte ihr Haar aus. »Mein Gemahl«, sie blickte von mir zu Veritas, »darf ich Euch nicht umarmen?«
    »Oh...« Unschlüssig schaute er auf seine Arme und Hände und bewegte seine silbernen Finger. »Ich glaube nicht. Nein. Nein, lieber nicht.« Er sagte es zwar in bedauerndem Ton, doch so, als täte es ihm dabei nur leid, ihre Bitte ablehnen zu müssen, nicht aber, dass er

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