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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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darauf verzichten musste, sie zu umarmen.
    Kettricken holte Luft und zitterte dabei. »Mein Gemahl«, begann sie erneut und dann versagte ihr die Stimme. »Veritas, ich habe unser Kind verloren. Unser Sohn ist tot.«
    Erst jetzt begriff ich, wie schwer sie daran getragen hatte, ihrem Gemahl bei einem Wiedersehen diese traurige Kunde bringen zu müssen. Sie senkte das stolze Haupt in Erwartung seines Zorns. Was sie als Antwort bekam, war jedoch schlimmer.
    »Oh«, sagte er und dann: »Hatten wir einen Sohn? Ich kann mich nicht erinnern...«
    Ich glaube, das war es, woran sie förmlich zerbrach: feststellen zu müssen, dass die Nachricht vom Tod seines Sohnes ihn weder erzürnte noch betrübte, sondern ihn nur in gelinde Verwirrung stürzte. Kettricken musste sich ganz und gar betrogen fühlen. Ihre überstürzte Flucht aus Bocksburg und all die Strapazen, die sie erduldet hatte, um ihr ungeborenes Kind dort hinzubringen, wo es vor Edel sicher war; die langen, einsamen Monate der Schwangerschaft, an deren Ende dann nicht Mutterglück, sondern Trauer und Leere standen und das Bewusstsein, vor ihrem Gemahl darüber Rechenschaft ablegen zu müssen; - das alles hatte im vergangenen Jahr ihr Leben beherrscht. Und nun stand sie vor ihrem Gemahl und König, und er konnte sich kaum an sie erinnern, und zu dem Tod des Kindes fiel ihm nicht mehr ein als: »Oh.« Ich schämte mich für den gebrechlichen alten Mann, der aus blinzelnden Augen die Königin anstarrte und dabei so verlegen in sich hineinlächelte.
    Kettricken bewahrte Haltung. Sie wandte sich wortlos ab und ging davon. Ich spürte ihre eiserne Beherrschung und ihren großen Zorn. Merle, die neben Krähe hockte, schaute zu der Königin auf, als sie vorüberging und machte eine Bewegung, als wolle sie aufstehen und ihr folgen; doch mit einem kurzen Wink gebot Kettricken ihr zu bleiben. Allein stieg sie von dem gewaltigen Steinpodest hinab und schritt davon.
    Soll ich ihr folgen?
    Ja. Aber lass sie in Ruhe.
    Für wie dumm hältst du mich?
    Ich schaute Nachtauge nicht nach, denn ich wusste auch so, dass er trotz meiner Mahnung geradewegs zu ihr lief und seinen großen Schädel an ihr Bein schmiegte. Plötzlich ließ sich Kettricken auf ein Knie fallen, schlang die Arme um seinen Nacken und vergrub ihr Gesicht in seinem Fell, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Nachtauge wandte den Kopf und leckte ihre Hand. Geh weg, tadelte er mich, und ich zog mein Bewusstsein von ihnen beiden zurück. Ich blinzelte und bemerkte, dass ich die ganze Zeit über Veritas angestarrt hatte. Sein Blick begegnete dem meinen.
    Er räusperte sich. »FitzChivalric«, sagte er und holte Luft, um weiterzusprechen; aber dann stieß er sie als Seufzer wieder aus. »Ich bin so müde«, sagte er kläglich. »Und es ist noch so viel zu tun.« Er wies auf den Drachen hinter sich. Schwerfällig sank er neben der Skulptur nieder. »Ich habe mich so bemüht«, fügte er hinzu, ohne damit jemanden im Besonderem anzusprechen.
    Der Narr fasste sich schneller als ich. »Prinz Veritas«, begann er und berichtigte sich: »Mein König, ich bin es, der Narr. Kann ich Euch zu Diensten sein?«
    Veritas hob den Blick zu dem schmächtigen blassen Mann, der vor ihm stand. »Es wäre mir eine Ehre«, sagte er nach kurzem Nachdenken, »den Vasalleneid und die Dienste von einem entgegenzunehmen, der sowohl meinem Vater als auch meiner Gemahlin so treu gedient hat.« Einen Augenblick lang war er der Veritas, den ich als Prinz und König gekannt hatte; doch dann verschwand der kurze Ausdruck von Gewissheit wieder aus seinem Gesicht.
    Der Narr trat näher und kniete neben ihm nieder. »Ich werde für Euch sorgen«, versprach er. »Ich werde für Euch sorgen, wie ich für Euren Vater gesorgt habe.« Damit stand er auf und wandte sich an mich. »Ich werde mich auf die Suche nach Feuerholz und frischem Wasser machen«, verkündete er. Dann ging sein Blick an mir vorbei und zu den Frauen. »Wie geht es Krähe?«, fragte er Merle.
    »Sie wäre fast ohnmächtig geworden...«, begann Merle, doch Krähe fiel ihr ins Wort. »Ich war erschüttert bis ins Mark, und um die Wahrheit zu sagen, ich habe es nicht eilig aufzustehen. Aber das soll Merle nicht daran hindern, zu tun, was getan werden muss.«
    »Gut, gut.« Der Narr schien vollkommen Herr der Lage zu sein. Er gab schnell seine Anordnungen. »Wenn du dann so gütig sein würdest, Merle, dafür Sorge zu tragen, dass das Zelt aufgebaut wird? Zwei Zelte, falls es sich irgend

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