Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Herden, die wir sichteten, waren klein, kein Vergleich mit den Herdengrößen, an die ich mich aus vergangenen Jahren erinnerte. Ich sah weniger Schweinehirten und Gänsemägde als bei meiner ersten Reise durch diesen Landstrich. Als wir uns dem Fluss näherten, kamen wir zwar an einigen Kornfeldern vorbei, aber viel gutes Ackerland lag einfach ungepflügt brach.
Ich wunderte mich. Eine ähnliche Entwicklung hatte ich an der Küste beobachtet, wo die Bauern unter den Übergriffen der Piraten zu leiden hatten. Und was nicht den Roten Schiffen zum Opfer fiel, wurde von der Steuerlast aufgefressen, womit man Schiffe und Soldaten bezahlte, die kaum etwas gegen den Feind auszurichten vermochten. Doch flussaufwärts, außerhalb der Reichweite der Korsaren, hatte ich geglaubt, noch Wohlstand zu finden. Nun das Gegenteil feststellen zu müssen, das war entmutigend.
Bald stießen wir auf den Fernweg am Bocksfluss. Es herrschte erheblich weniger Verkehr als seinerzeit, sowohl auf dem Wasser als auch auf der Straße. Die Reisenden, denen wir begegneten, waren kurz angebunden und abweisend, obwohl Nachtauge sich wohlweislich versteckt hielt. Einmal fragte ich bei einem Gehöft, ob ich am Brunnen Wasser holen dürfe. Man erlaubte es, aber niemand rief die knurrenden Hunde zurück, und sobald mein Wasserschlauch gefüllt war, forderte die Hausfrau mich schnell auf, meiner Wege zu gehen. Ihr Verhalten war nicht etwa die Ausnahme, sondern eher die Regel.
Und je weiter ich kam, desto schlimmer wurde es. Hier auf dem Fernweg waren nicht etwa Kaufleute mit ihren Wagen voller Handelsware oder Bauern mit ihren Erzeugnissen für die hiesigen Märkte unterwegs, sondern verarmte Familien, die ihr gesamtes Hab und Gut auf einem Handkarren mitführten. Aus den Augen der Erwachsenen sprach Härte und Misstrauen, die Augen der Kinder wirkten oft verstört und leer. Meine anfängliche Hoffnung, unterwegs Tagelöhnerarbeit zu finden, gab ich bald auf. Wer noch Haus und Hof besaß, verteidigte es eifersüchtig. Kettenhunde bellten, nach Einbruch der Dunkelheit bewachten Knechte die junge Feldfrucht. Wir kamen an mehreren ›Bettlerburgen‹ vorbei, das waren Ansammlungen behelfsmäßiger Hütten und Zelte am Straßenrand. Nachts brannten dort große Lagerfeuer, und Männer, die aussahen, als verstünden sie keinen Spaß, standen mit Schlagstöcken und Piken Wache. Tagsüber saßen Kinder auf der Straße und bettelten die Vorüberkommenden an. Ich glaubte zu verstehen, weshalb die Kaufmannswagen, die ich sah, nur unter Schutz reisten.
Nachtauge und ich hatten bereits mehrere Etappen auf dem Fernweg zurückgelegt und lautlos wie Schatten einige kleine Weiler passiert, als wir uns schließlich einem größeren Ort näherten. Bei Tagesanbruch sichteten wir in einiger Entfernung die ersten Häuser. Ein Händler, der wohl der erste auf dem Markt sein wollte, überholte uns mit seinem Karren voller Federvieh, und wir bemerkten, dass es höchste Zeit war, für den Tag einen Rastplatz zu suchen. Von einer kleinen Anhöhe aus hatte man einen guten Blick auf das Städtchen, das mit einem kleinen Hafen halb in den Fluss hinausgebaut war. Weil ich nicht schlafen konnte, beobachtete ich von unserem Aussichtspunkt das Treiben auf der Straße und zu Wasser. Kleine und große Kähne lagen am Kai vertäut; ab und zu trug der Wind die Rufe der Hafenarbeiter zu mir herauf, einmal erklang von irgendwoher sogar Gesang. Zu meiner Überraschung empfand ich Verlangen nach menschlicher Gesellschaft. Ich ließ Nachtauge schlafend zurück, ging aber nur bis zum Bach am Fuße des Hügels, um mein Hemd und meine Hose auszuwaschen.
Wir sollten diesen Menschenort meiden. Sie werden dich töten, wenn du zu ihnen gehst, gab Nachtauge zu bedenken. Er saß plötzlich neben mir am Bachufer und schaute zu, wie ich mich wusch, während es langsam Abend wurde. Meine Kleider waren so gut wie trocken. Ich versuchte, ihm zu erklären, weshalb ich wollte, dass er auf mich wartete, während ich dem Gasthaus im Ort einen Besuch abstattete.
Weshalb sollten sie mich töten?
Wir sind Fremde, die in ihr Revier eindringen. Genügt das nicht?
Menschen sind nicht so, erklärte ich geduldig.
Nein. Du hast Recht, vielleicht stecken sie dich nur in einen Käfig und prügeln dich.
Auch das nicht, widersprach ich entschieden, um meine eigene Sorge zu überspielen, jemand könnte mich vielleicht erkennen.
Sie haben es schon einmal getan, beharrte er. Uns beiden ist es so ergangen. Und das war
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