Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
musste mir eingestehen, dass es sich bei dieser angeblichen Prüfung wieder nur um ein Hinauszögern des Unvermeidlichen handelte.
Er hielt sich so weit wie möglich in der Deckung des verschneiten Buschwerks und näherte sich der Hütte wachsam, spähend und witternd an. Alte Gerüche. Menschen. Ziegen. Kalt und blass. Plötzlich erstarrte er, schob sich tastend einen Schritt weiter vor, seine Bewegungen waren wohlüberlegt und präzise. Die nach vorn gespitzten Ohren, die waagerecht ausgestreckte Rute verrieten seine Spannung. MAUS! Er sprang und hatte sie und schüttelte sie, es folgte ein kurzes Knacken, dann ließ er das schlaffe Körperchen fliegen und fing es auf. Maus!, verkündete er verzückt. Wieder schleuderte er seine Beute in die Höhe, hüpfte ihr nach und schnappte sie sehr geschickt mit den kleinen Vorderzähnen aus der Luft, nur um sie nochmals hochzuwerfen. Als er daran schließlich die Lust verlor, war die Maus nur noch ein formloses Bündelchen Fell. Er schluckte den Bissen hinunter und kam zu mir zurück.
Mäuse! Ganze Scharen. Überall kann ich sie riechen.
Wie ich vermutet habe. Die Schafhirten beschweren sich, die Mäuse würden diesen Ort überschwemmen und im Sommer ihre Vorräte verderben. Ich dachte mir schon, dass sie hier auch überwintern.
Erstaunlich fett für diese Jahreszeit, urteilte Cub und machte sich mit Feuereifer daran, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, doch sobald er seinen Hunger gestillt hatte, schloss er sich mir an, als ich weiter auf die Hütte zuging. Vor ihrer morschen Brettertür lag ein kleiner Schneewall, aber ich drückte sie mit der Schulter auf. Das Innere bot einen trostlosen Anblick. Schnee war durch das Schindeldach gerieselt und lag in Streifen und Bahnen auf dem gefrorenen Erdboden. Es gab einen primitiven Herd mit Rauchfang und einem Topfhaken. Ein Stuhl und eine Bank bildeten die gesamte Einrichtung. Wenigstens war noch etwas Brennholz vorhanden, und ich zündete ein kleines Feuer an, das gerade dazu ausreichte, um mich zu wärmen und das Brot und Fleisch aufzutauen, das ich als Proviant mitgebracht hatte. Cub nahm ein paar Happen, nicht weil er noch hungrig war, sondern nur, um mit mir zu teilen. Anschließend vertrieb er sich die Zeit damit, die Hütte zu durchstöbern. Viele Mäuse!
Ich weiß. Es fiel mir schwer, aber dann überwand ich mich und fügte hinzu: Du wirst hier nicht verhungern.
Ruckartig hob er den Kopf von der Stelle, an der er geschnüffelt hatte. Er kam steifbeinig ein paar Schritte auf mich zu, dann blieb er stehen, seine Augen suchten die meinen und starrten sie fest an. Die Wildnis lauerte in ihren Tiefen.
Du willst mich allein lassen.
Ja. Es gibt hier genügend Nahrung. Nach einiger Zeit werde ich zurückkommen, um zu sehen, ob es dir gutgeht. Ich denke, du wirst dich hier wohl fühlen. Du lernst zu jagen, Mäuse zuerst, dann größeres Wild …
Du verrätst mich. Du verrätst das Rudel.
Nein. Wir gehören nicht zusammen. Ich lasse dich frei, Cub. Wir kommen uns zu nahe, das ist nicht gut, für keinen von uns. Von Anfang an habe ich dir gesagt, dass ich keinen Bund mit dir schließen werde. Wir dürfen uns nicht gegenseitig so stark beeinflussen. Es ist besser für dich, alleine fortzuziehen, um zu leben, wie es dir bestimmt ist.
Mir ist bestimmt, einem Rudel anzugehören. Er bannte mich mit seinem starren Blick. Willst du mir sagen, es gibt Wölfe in der Nähe, solche, die einen Eindringling in ihrem Revier dulden und in ihr Rudel aufnehmen werden?
Ich musste zur Seite schauen. Nein. Es gibt hier keine Wölfe. Man müsste viele Tage wandern, um einen Ort zu erreichen, wo noch Wölfe frei umherstreifen.
Was gibt es dann hier für mich?
Nahrung. Freiheit. Dein eigenes Leben, unabhängig von mir.
Einsamkeit. Er zeigte mir die Zähne, dann ging er in einem weiten Kreis um mich herum zur Tür. Menschen, hörte ich bitter. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah über die Schulter zu mir zurück. Menschen sind es, die glauben, sie könnten anderer Leben beherrschen, ohne sich mit ihnen zu verbinden. Denkst du, einen Bund zu schließen oder nicht, das ist allein deine Entscheidung? Mein Herz gehört mir. Ich gebe es, wem ich will. Ich gebe es aber keinem, der mich von sich stößt. Ich werde auch keinem gehorchen, der Rudel und Bruderschaft leugnet. Hast du geglaubt, ich bleibe hier, um in diesem Menschenbau herumzuschnüfeln und die Mäuse zu fressen, die kommen, um sich von ihren Resten zu ernähren? Um wie
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