Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
glauben, ich hätte mich aus eigenem Willen von dir abgewendet.«
»Wie gut er mich kennt.«
»Ich hätte dir nichts davon sagen sollen.« Sie lehnte sich ein wenig von mir zurück und schaute mir ins Gesicht. »Ich weiß nicht, weshalb ich es getan habe.«
Ihre Augen und ihr Haar hatten die Farben des Waldes. »Vielleicht wolltest du nicht, dass ich dich gehen lasse?«
»Du musst es tun«, entgegnete sie. »Wir beiden wissen, es gibt keine Zukunft für uns.«
Ihren Worten folgte eine tiefes Schweigen, so dass nur das Feuer leise vor sich hinknisterte. Keiner von uns rührte sich, und doch fühlte ich mich auf unerklärliche Weise an einen anderen Ort versetzt, wo ich mir schmerzhaft deutlich unserer Nähe bewusst wurde. Ihre Augen und der Kräuterduft ihrer Haut und ihres Haares waren eins mit der Wärme und Geschmeidigkeit ihres Körpers unter dem weichen, wollenen Nachtgewand. Ich erfuhr sie wie eine neue Farbe, die sich meinen Augen darbot. Alles klare Denken ging unter in diesem überwältigenden Erwachen der Sinne. Ich weiß, dass ich in diesem Moment zitterte, denn sie legte mir die Hände auf die Schultern, um mich zu stützen, wodurch mich eine wohlige Wärme durchströmte. Ich blickte in ihre Augen und staunte über das, was ich dort sah.
Sie küsste mich.
Diese schlichte Geste, mir den Mund darzubieten, war ein Zeichen. Es gab kein Zurück mehr. Kein Abwägen von Richtig oder Falsch, kein Zögern und Zaudern, wir gaben uns gegenseitig schrankenlos hin. Zusammen tasteten wir uns vor, dieses Neue, dieses Fremde kennenzulernen, und ich kann mir keine tiefere Verbundenheit denken, als uns diese Gemeinsamkeit bescherte. Für uns beide war dieses Mal das erste Mal, wir erlebten es ungeprägt von Erwartungen oder Erinnerungen an andere. Ich hatte nicht mehr Recht auf sie als sie auf mich, aber ich gab und ich nahm, und ich schwöre, ich werde es bis an mein Lebensende nicht bereuen. Die Erinnerung an die süße Unbeholfenheit jener Nacht ist das kostbarste Gut meiner Seele. So verwirrten meine zitternden Finger das Band am Nackenverschluss ihres Nachtgewandes zu einem hoffnungslosen Knoten. Molly berührte mich zuerst wie eine Wissende, um dann mit einem heftigen Atemzug ihre Überraschung zu verraten, als sie mein Begehren spürte. Es war nicht wichtig. Unsere Unwissenheit machte einem Wissen Platz, das älter war als wir beide und das uns wie von selbst leitete. Ich bemühte mich, gleichzeitig sanft und stark zu sein, und erlag der Stärke und Sanftheit der Frau, dieser ewigen Zauberin.
Ein Tanz. Ein Kampf. Manche Männer sprechen davon mit einem wissenden Lachen, andere mit einem schmutzigen Grinsen. Ich habe die drallen Marktfrauen darüber glucksen hören wie Hennen über hingestreuten Brotkrumen. Ich bin von Zuhältern bedrängt worden, die ihre Waren anpriesen wie Händler frischen Fisch. Was mich selbst angeht, so glaube ich, dass es für manche Dinge keine Worte gibt. Die Farbe Blau kann man nur erfahren, wie auch den Duft von Jasmin oder den Klang einer Flöte. Die Linie einer entblößten Schulter, die einzigartig Weichheit einer weiblichen Brust, der unwillkürliche Laut der Überraschung, wenn alle Widerstände plötzlich überwunden sind, der Duft ihres hingestreckten Halses, der Geschmack ihrer Haut, das alles sind nur Details, die, so sie doch unendlich wertvoll sind, dennoch kein Bild des Ganzen ergeben. Tausend solcher weiterer Einzelheiten vermöchten es nicht genauer zu beschreiben.
Die Holzscheite im Kamin zerfielen zu roter Glut, längst waren die Kerzen niedergebrannt und erloschen. Wir ruhten geborgen an einem Ort, den wir als Fremde betreten hatten, um ihn dann als unser ureigenstes Reich zu erkennen. Ich glaube, ich hätte mit Freuden den Rest der Welt fahren lassen, nur um in dem wohligen Nest aus zerwühlten Decken und Federkissen liegenzubleiben und ihre warme Ruhe einzuatmen.
Bruder, das ist gut.
Ich zuckte zusammen wie von der Tarantel gestochen und riss Molly aus ihrem versonnenen Schlummer. »Was ist?«
»Ein Wadenkrampf«, log ich. Sie glaubte mir und lachte. Eine harmlose Flunkerei, doch plötzlich schämte ich mich der Lüge, schämte mich aller Lügen, die ich je ausgesprochen hatte, und aller Wahrheiten, die ich niemals ausgesprochen und dadurch in Lügen verkehrt hatte. Ich öffnete schon meine Lippen, um ihr alles zu gestehen. Dass ich der königliche Assassine war, der Meuchelmörder im Dienst der Krone. Dass das Wunder dieser Nacht von einem Dritten geteilt
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