Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
meinem benommenen Zustand erschien mir dieser Gedankengang vollkommen logisch.
Ich sah zu, wie Burrich meinen Arm verband. Der Medikus brachte einen Becher Tee, den Burrich nahm, um erst prüfend daran zu riechen, bevor er ihn an mich weitergab. »Ich hätte weniger Baldrian genommen«, lautete sein Kommentar. Der Medikus trat zurück und setzte sich neben den Kamin.
Charim kam mit einem beladenen Tablett herein. Er räumte einen kleinen Tisch frei und stellte die Speisen zurecht. Unmittelbar nach ihm trat Veritas ins Zimmer, nahm den Umhang ab und warf ihn über die Stuhllehne. »Ich habe ihren Mann auf dem Markt gefunden«, sagte er. »Er ist jetzt bei ihr. Das Kind hatte auf der Türschwelle gespielt, während sie unten am Bach war, um Wasser zu holen. Als sie wiederkam, war die Kleine verschwunden.« Ich spürte seinen Blick, aber ich konnte ihn nicht erwidern. »Wir fanden die Frau, wie sie durch den Wald irrte und nach dem kleinen Mädchen rief. Ich wusste …« Er verstummte und nickte dem Medikus zu. »Vielen Dank, Dem. Wenn du mit FitzChivalric fertig bist, kannst du gehen.«
»Ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit….«
»Unnötig.« Burrich hielt stirnrunzelnd das Ende eines Verbandstreifens in der Hand, den er quer über meine Brust geführt hatte, unter dem rechten Arm hindurch und wieder zurück, um das Stoffpolster auf der Bisswunde zu befestigen. Es war vergebliche Mühe. Sie befand sich genau auf dem Muskel zwischen der Schulterspitze und dem Hals. Ich versuchte, mich über den vernichtenden Blick zu amüsieren, mit dem der Medikus Burrich bedachte, bevor er hinausging. Burrich nahm ihn überhaupt nicht zur Kenntnis.
Veritas zog sich einen Sessel heran und nahm mir gegenüber Platz. Ich wollte den Becher an die Lippen heben, doch Burrich nahm ihn mir aus der Hand. »Nach eurem Gespräch. Da drin ist genug Baldrian, um dich wie mit einem Keulenschlag außer Gefecht zu setzen.« Ich sah zu, wie er mit dem Becher zum Kamin ging, die Hälfte von dem Tee ausschüttete und den Rest mit heißem Wasser auffüllte. Danach lehnte er sich mit verschränkten Armen an den Kaminsims und beobachtete uns.
Ich richtete den Blick auf Veritas und wartete darauf, dass er das Wort ergriff.
Er seufzte. »Ich sah mit deinen Augen das Kind. Sah, wie sich die Entfremdeten um die Kleine rissen. Dann warst du plötzlich verschwunden. Unsere Verbindung löste sich, und ich konnte trotz meiner starken Gabe den Halt nicht wiederfinden. Ich wusste, du warst in Gefahr, und brach sofort auf, um dich zu suchen. Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin.«
Ich wollte es, ich wollte mich öffnen und Veritas alles anvertrauen. Doch es wäre möglicherweise zu vieles dabei zur Sprache gekommen, was besser unerwähnt blieb. Die Geheimnisse eines Prinzen zu kennen, das gibt einem nicht das Recht, leichtfertig damit hausieren zu gehen. Ich schaute zu Burrich, der angelegentlich das Mauerwerk studierte. In förmlichen Ton sagte ich: »Vielen Dank, mein Prinz. Ich bin sicher, Ihr seid so schnell gekommen wie möglich, und auch ein früheres Eingreifen wäre für die Kleine zu spät gewesen. Sie starb fast in demselben Augenblick, als ich sie zu Gesicht bekam.«
Veritas senkte den Blick auf seine Hände. »Das wusste ich. Wusste es besser als du. Meine Sorge galt dir.« Er hob den Kopf und versuchte ein Lächeln. »Das hervorstechendste Merkmal an deiner Art und Weise zu kämpfen, das ist deine Fähigkeit, trotzdem am Leben zu bleiben.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Burrich von einem Fuß auf den anderen trat, den Mund öffnete und wieder schloss. Eiseskälte erfasste mich. Er hatte die Leichen der Entfremdeten gesehen - und die Spuren. Er wusste, ich hatte nicht allein gegen sie gekämpft. Nahmen die schrecklichen Ereignisse dieses Tages kein Ende? Dass Burrich bisher geschwiegen hatte, konnte nur bedeuten, dass er auf einen späteren Zeitpunkt wartete, wenn wir alleine waren.
»FitzChivalric?« Veritas hatte gemerkt, dass meine Gedanken abgeirrt waren.
Ich zuckte zusammen. »Vergebt mir, Hoheit.«
Er lachte und prustete fast dabei. »Lass das ›Hoheit‹ beiseite. In unserem kleinen Kreis erwarte ich keine höfische Etikette von dir, und Burrich ebensowenig. Er und ich kennen einander gut genug, er titulierte in Situationen wie dieser auch meinen Bruder nicht ›Hoheit‹. Bedenke, dass er des Königs Aufseher für Chivalric war. Chivalric bediente sich seiner Kraft und nicht immer gerade sanft. Ich bin Sicher,
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