Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Wehr, verbiss und verkrallte mich in sein Fleisch und stieß meine Klinge in seinen Leib, wann immer ich eine Blöße entdeckte. Dennoch, ich wäre ihm unterlegen gewesen, hätte Nachtauge ihn nicht mit der gleichen tobsüchtigen Wut attackiert. Viele Momente später kroch ich unter einem Toten hervor.
Alles in Ordnung? Nachtauge lag ein Stück von mir entfernt auf dem Boden und atmete hechelnd. Seine Schnauze war blutverschmiert, was wahrscheinlich auch für mein Gesicht zutraf. Ich stand auf und ging ein, zwei Schritte auf ihn zu. Dann sah ich das Kind und sank neben dem Leichnam auf die Knie. Wohl erst in diesem Moment begriff ich, dass es von Anfang an zu spät gewesen war.
Sie war so winzig. Sie hatte glattes, schwarzes Haar und dunkle Augen, ihr zarter Körper lag noch lebenswarm und schlaff da. Ich nahm sie auf den Schoß und strich ihr das Haar aus der Stirn. Es offenbarten sich ein rundes Gesicht und eben mäßige Zähnchen. Sie hatte Pausbacken. Der Tod hatte noch nicht seinen Schleier über ihre Augen gebreitet, denn sie blickten noch verwundert auf ein Rätsel jenseits allen Begreifens. An ihren kleinen, molligen Händen trocknete in Streifen das Blut, das aus den Bisswunden an ihren Armen heruntergeflossen war. Ein hilfloses Kind - so schwach und so angewiesen auf Fürsorge und Schutz. Schuldlos Opfer roher Brutalität. Ich neigte das Gesicht über ihr weiches Haar und weinte. Das Schluchzen schüttelte meinen Körper, und ich konnte nichts dagegen tun. Nachtauge schnüffelte an meiner Wange und winselte. Er scharrte mit der Pfote an meiner Schulter, und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ihn von mir ausgeschlossen hatte. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, um ihn zu beruhigen, doch es war mir unmöglich, ihn oder sonst etwas in mein Bewusstsein einzulassen. Er winselte erneut, und endlich hörte ich Hufschläge. Nachtauge leckte mir noch ein letztes Mal tröstend über die Wange, dann verschwand er zwischen den Bäumen.
Ich erhob mich taumelnd, das Kind an die Brust gedrückt. Sie kamen über den Hügel, Veritas auf seinem Rappen, dahinter Burrich, Blade und ein halbes Dutzend weitere Reiter. Zu meiner Bestürzung sah ich hinter Blade eine fremde Frau sitzen, die einfach gekleidet war. Bei meinem Anblick stieß sie einen lauten Schrei aus, glitt blitzschnell zu Boden, kam auf mich zugelaufen und hatte die Hände nach dem Kind ausgestreckt. Ihr vor Hoffnung und Freude glänzendes Gesicht war mir unerträglich. Für einen Sekundenbruchteil begegnete ich ihrem Blick und ich sah, wie sie langsam begriff und wie das Begreifen dann ihre Züge verzerrte. Sie riss mir das kleine Mädchen aus den Armen, stützte das baumelnde Köpfchen, warf einen Blick in das wächserne Gesicht des Kindes und begann zu schreien. Die Ungeheuerlichkeit ihres Schmerzes brach über mich herein wie eine Sturmflut und zog mich mit ihr in die Tiefe. Das Schreien hörte nicht auf.
Noch Stunden später, als ich mich schon in Veritas’ Arbeitszimmer befand, konnte ich es hören. Es vibrierte in mir wie ein krampfartiges Beben, das mich in langen Wellen überlief. Ich saß nackt bis zur Taille auf einem Stuhl vor dem Kamin. Der Medikus schürte das Feuer, während hinter mir ein starrer und schweigsamer Burrich Tannennadeln und Erde aus der tiefen Wunde an meinem Hals wusch. »Das hier und das sind keine frischen Wunden«, bemerkte er einmal unfreundlich und zeigte auf andere Verletzungen an meinem Arm. Ich sagte nichts. Mir war, als versagten mir die Worte. Neben Burrich schwammen in einem Becken mit heißem Wasser getrocknete Irisblüten, die sich langsam neben Blättern des Heidegagelstrauchs entrollten. Er machte darin ein Tuch nass und wischte über die blutunterlaufenen Stellen an meinem Hals. »Der Schmied hatte große Hände«, meinte er.
»Du hast ihn gekannt?« Der Medikus schaute Burrich an.
»Ich habe nie mit ihm gesprochen, sondern ihn nur ein- oder zweimal beim Frühlingsfest gesehen, wenn auch die Leute von außerhalb mit ihren Waren in die Stadt kommen. Er bot silberne Beschläge und Schnallen für Zaumzeug feil.«
Wieder Schweigen. Burrich fuhr fort mit meiner Pflege. Das Blut, welches das Wasser färbte, stammte nur zum Teil von mir. Abgesehen von zahlreichen blauen Flecken und Prellungen war ich mit Kratzern, Abschürfungen und einer großen Beule an der Stirn davongekommen. Irgendwie erfüllte mich diese Tatsache mit Scham. Das kleine Mädchen war tot - ich hätte wenigstens verwundet sein sollen. In
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