Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Burrich weiß, dass ich dich in gleicher Weise als Kraftquelle benutzt habe. Und er weiß auch, dass ich heute bei dir war und mit dir geritten bin, zumindest bis auf jenen Hügelkamm.«
Ich schaute zu Burrich, der langsam nickte. Weder er noch ich ahnten, weshalb er bei dieser Unterredung dabei war.
»Ich wurde erst aus deinem Bewusstsein hinausgedrängt, als diese blinde Wut dich packte. Wenn ich deine Fähigkeiten nutzen will, wie ich es vorhabe, darf das nicht wieder geschehen.« Nachdenklich trommelte Veritas mit den Fingerspitzen auf seine Oberschenkel. »Mir fällt nur eine Lösung ein. Du musst lernen, überlegt zu kämpfen. Was meinst du, Burrich? Chivalric hat mir einmal erzählt, in der Bedrängnis kämst du besser mit einer Axt zu recht als mit dem Schwert.«
Burrichs Miene verriet seine Überraschung. Offensichtlich hatte er nicht erwartet, dass Veritas von dieser Sache wusste. Erneut nickte er bedächtig. »Er pflegte sich deswegen über mich lustig zu machen. Sagte, es wäre das Werkzeug eines Raufbolds und nicht die Waffe eines Edelmanns.«
Veritas gestattete sich ein leichtes Lächeln. »Du bist demnach bestens geeignet für unseren Fitz. Du wirst ihm beibringen, damit umzugehen, denn ich glaube nicht, dass Hod darin Unterricht erteilt, was nicht heißen soll, dass sie es nicht könnte, wenn ich sie darum bäte. Doch ich lege es in deine Hände, weil ich möchte, dass Fitz sich gleichzeitig darin übt, mich in seinem Bewusstsein zu halten. Wenn wir diese beiden Lektionen miteinander verbinden, lernt er vielleicht, über dem einen nicht das andere zu vergessen. Und mit dir als Lehrer wird er nicht dadurch abgelenkt, dass er darauf achten muss, meine Anwesenheit geheimzuhalten. Willst du diese Aufgabe übernehmen?«
Burrich vermochte sein Unbehagen nicht zu verbergen. »Ja, das kann ich, Hoheit.«
»Dann ist dies abgemacht. Fangt morgen an. Je früher umso besser. Ich weiß, du hast andere Pflichten und nur wenige Stunden zur eigenen Verfügung. Zögere also nicht, einen Teil deiner Aufgaben Flink zu übertragen. Er scheint mir ein tüchtiger Bursche zu sein.«
»Das ist er«, stimmte Burrich zu. Er war wachsam geworden. Es schien ihm nicht zu behagen, wie gut Veritas über ihn Bescheid wusste und über die Vorgänge in den Stallungen, die Burrich als sein Hoheitsgebiet betrachtete.
»Gut.« Veritas lehnte sich zurück und musterte uns beide, als hätte er seinen Generalstab um sich versammelt. »Ist irgendjemand nicht zufrieden mit dem, was wir eben besprochen haben?«
Ich empfand die Frage als höflichen Abschluss der Unterredung.
»Herr?«, fragte Burrich. Seine sonst gebieterische Stimme klang plötzlich zögernd und unsicher. »Wenn ich darf … ich habe … ich wollte mich nicht herablassen, das Urteil meines Prinzen in Frage zu stellen, aber …«
Ich hielt den Atem an. Jetzt kam es. Die Alte Macht.
»Sprich. Burrich. Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass wir bei diesem Gespräch auf Förmlichkeiten verzichten wollen. Was bereitet dir Sorgen?«
Burrich straffte sich und sah seinem Kronprinz in die Augen. »Ich weiß nicht … ob es recht ist. Ob Bastard oder nicht, er ist Chivalrics Sohn. Was ich heute gesehen habe, dort oben …« Man merkte ihm an, wie sehr er bemüht war, seine innere Erregung zu zügeln. »Ihr habt ihn … Er geriet ganz allein in ein Gemetzel. Fast jeder andere Junge in seinem Alter wäre da nach tot. Ich … ich mische mich nicht ein in Dinge, die mich nichts angehen. Ich weiß, es gibt viele Wege, meinem König zu dienen, und nicht alle sind so angenehm wie andere. Doch dort oben in den Bergen … Und dann, was ich heute gesehen habe … Hättet Ihr da für nicht jemand anderen als das Kind Eures Bruders finden können?«
Ich schaute wieder zu Veritas. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich unverhohlenen Zorn auf seinem Gesicht. Dieser zeichnete sich durch kein Stirnrunzeln oder finstere Miene ab, sondern nur durch zwei heiße Funken Glut in seinen dunklen Augen: »Sieh genauer hin, Burrich. Das ist kein Junge mehr, der dort sitzt. Und darüber denk noch ein mal nach: Ich habe ihn nicht geschickt. Nicht allein. Ich war bei ihm, wir sind zusammen aufgebrochen, um zu kundschaften und nicht um zu kämpfen. Es kam anders als gewollt, doch er hat es überlebt. Wie in ähnlichen Situationen zuvor und wie mit etwas Glück auch in Zukunft.« Dann erhob sich Veritas ruckartig. Die Atmosphäre im Zimmer erschien mir plötzlich mit einer solchen Spannung
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