Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
umbrandeten mich und drängten mich weiter nach vorn. Ich werde nie wissen, wie viele oder welche Gefühle davon meine eigenen waren, denn sie überwältigten mich, und FitzChivalric ging völlig darin unter. Ich wurde zum Brennpunkt all der Gewalt. Mit erhobener Axt und brüllend lief ich den anderen voraus. Mich hatte es nicht da nach gelüstet, die Führung zu übernehmen, es war das starke Verlangen der Mannschaft nach einem, dem sie folgen konnten. Plötzlich wollte ich so viele Korsaren töten, wie ich nur konnte, und so schnell ich konnte. Ich wollte in jedem Hieb die Kraft meiner Schultern spüren, ich wollte mich durch die Geisterschar entfremdeter Seelen stürzen und auf die Leiber gefallener Korsaren treten. Und ich tat es.
Ich hatte Sagen von Berserkern gehört. Ich hatte sie mir als viehische Totschläger vorgestellt, die von dumpfem Blutdurst beherrscht waren und die sich völlig unberührt zeigten von der Verwüstung, die sie anrichteten. Aber vielleicht waren sie stattdessen auch nur völlig überreizt und bis in die Raserei hinein unfähig, noch auf andere Gefühle oder die Schmerzsignale ihres eigenen Körpers zu achten. Ich vermag es nicht zu sagen.
Ich habe später Geschichten über mich an jenem Tag gehört. Sogar ein Lied wurde darüber verfasst. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich während dem Kampf gebrüllt und Schaum vor dem Mund gehabt hätte, doch es könnte dennoch so gewesen sein. Irgendwo in mir waren währenddessen Veritas und Nachtauge, doch auch sie versanken im Rausch des Gemetzels. Ich weiß, ich tötete den ersten Korsaren, der von uns überrannt wurde; ich weiß auch, ich erschlug den letzten Mann, der noch aufrecht stand, in einem Zweikampf Axt gegen Axt. Das Lied sagt, er wäre der Kapitän des roten Schiffes gewesen. Es könnte stimmen. Seine Brigantine aus Leder war gut gearbeitet und rot vom Blut anderer Männer. Sonst kann ich mich an nichts erinnern, was ihn betrifft, außer daran, wie meine Axt ihm den Helm in den Schädel trieb und wie das Blut unter dem Metall hervorgeschossen kam, als er in die Knie brach.
Damit war der Kampf zu Ende, die Verteidiger kamen herbeigeeilt, um ihre Retter zu umarmen, um den Sieg hinauszuschreien und sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Der plötzliche Umschwung war zu viel für mich. Ich stützte mich auf meine Axt, rang nach Atem und hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Die berserkerhafte Raserei war so schlagartig von mir gewichen wie der Carris-Rausch von einem Süchtigen. Ich fühlte mich ausgelaugt und verwirrt, als wäre ich aus einem Traum erwacht und gleich in den nächsten geraten. Meine Erschöpfung war so übermächtig, dass ich mich zwischen die Toten hätte legen und schlafen können. Nonge, einer der Outislander in der Mannschaft, brachte mir Wasser und führte mich zu einer Stelle, wo ich mich hinsetzen konnte, um es zu trinken. Dann kehrte er auf das blutige Schlachtfeld zurück, um sich am Plündern zu beteiligen. Als er etwas später noch ein mal wiederkam, hielt er mir ein blutiges Medaillon hin. Ein Halbmond aus gehämmertem Gold, der an einer silbernen Kette hing. Als ich nicht die Hand danach ausstreckte, um es zu nehmen, hängte er es über den wie von schwarz-roter Farbe ummantelten Kopf meiner Axt. »Es hat Harik gehört«, erklärte er und musste in der fremden Sprache nach Worten suchen. »Du hast gut gegen ihn gekämpft. Er ist gut gestorben. Er wäre damit einverstanden, dass du es Bekommst. Er war ein guter Mann, bevor die Korriks sein Herz geraubt haben.« Ich fragte nicht, welcher von ihnen Harik gewesen war. Ich wollte nicht, dass auch nur einer von ihnen einen Namen hatte.
Nach einer Weile hatte ich mich etwas erholt. Ich half, die Leichen vom Tor wegzutragen und dann vom Schlachtfeld. Für die Korsaren errichteten wir einen Scheiterhaufen, die Unsrigen wurden Seite an Seite hingelegt und zugedeckt, falls ihre Angehörigen sie heimholen wollten. Makaber, was mir von diesem langen Nachmittag im Gedächtnis geblieben ist. Wie die Fersen eines Toten doppelte Schlangenlinien hinterlassen, wenn man ihn durch den Sand zieht. Dass der junge Wachposten mit dem Dolch im Rücken noch gar nicht ganz tot war, als wir ihn aufheben wollten. Doch waren ihm nur noch wenige Atemzüge beschieden, so dass uns nichts anderes übrigblieb, als der Reihe von Aufgebahrten, die uns schon viel zu lang erschien, einen weiteren Toten hinzuzufügen.
Wir ließen unseren Kampftrupp bei der dezimierten
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