Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Turmbesatzung zurück, bis eine neue Mannschaft dorthin geschickt werden konnte. Dann begutachteten wir das Schiff, das uns in die Hände gefallen war. Veritas wird erfreut sein, dachte ich bei mir. Ein zusätzliches Schiff. Ein gutes Schiff. Ich wusste um die Bedeutung des Sieges, den wir errungen hatten, und um den Wert der Beute, doch ich empfand nichts, weder Befriedigung noch Triumph. Wir kehrten zur Rurisk zurück, wo ein bleicher Justin uns erwartete. In benommenem Schweigen setzten wir uns an die Ruder und nahmen Kurs zurück auf Bocksburg.
Wir hatten annähernd die halbe Strecke zurückgelegt, als uns andere Boote entgegenkamen. Eine hastig zusammengestellte Flottille von Fisch kuttern, die vollbeladen mit Soldaten war, rief uns an. Der Kronprinz hatte sie geschickt, nachdem Justin mittels der Gabe dringend danach verlangt hatte. Sie schienen fast enttäuscht zu sein, dass der Kampf vorüber war, doch unser Kapitän versicherte ihnen, sie wären im Turm will kommen. Bei dieser Gelegenheit erst kam mir zu Bewusstsein, dass ich Veritas nicht mehr spüren konnte. Schon seit einiger Zeit nicht mehr. So fort tastete ich nach Nachtauge. Er war da, aber in weiter Ferne. Er wirkte erschöpft und eingeschüchtert. Niemals habe ich so viel Blut gerochen, ließ er mich wissen. Wie Recht er hatte. Ich stank noch immer danach.
Veritas war nicht untätig gewesen. Wir hatten kaum angelegt und waren an Land gegangen, als eine neue Besatzung an Bord kam, um mit der Rurisk Ersatz für die gefallenen Turmwachen sowie eine zweite Rudermannschaft zur Geweihinsel zu bringen. Veritas’ Prise würde am heutigen Abend an seiner Pier festmachen. Ein offenes Boot folgte ihnen, um unsere Toten nach Hause zu holen.
Der Kapitän, der Maat und Justin bestiegen bereitgehaltene Pferde, um gleich zur Burg hinaufzureiten und Veritas Bericht zu erstatten. Ich empfand dankbare Erleichterung, dass man mir dies nicht ebenfalls befohlen hatte, und schloss mich meinen Kameraden an, die loszogen, um zu feiern. Unglaublich schnell hatte sich die Nachricht von der Schlacht und unserem Sieg in Burgstadt verbreitet. Kein Wirtshaus, in dem man sich nicht danach gedrängt hätte, uns mit Ale vollzufüllen und sich von unseren Taten erzählen zu lassen. Es war fast, als erlebte man das blutige Chaos ein zweites Mal, denn wo immer wir hinkamen, entbrannten die Menschen in wilder Begeisterung über das, was wir getan hatten. Ich war trunken von der Erregung und dem Aufruhr der Gefühle um mich herum, lange bevor mir das Ale zu Kopf stieg. Nicht, dass ich darin Abstinenz geübt hätte. Ich überließ das Erzählen den anderen, aber beim Trinken machte ich diese Zurückhaltung mehr als wett. Danach musste ich mich zweimal übergeben, einmal in einer Seitengasse und später mitten auf der Straße. Dann trank ich weiter, um den üblen Geschmack hinunterzuspülen. Irgendwo im Hintergrund meines Bewusstseins spürte ich Nachtauges Entsetzen. Gift. Dieses Wasser ist vergiftet. Ich war nicht imstande, einen klaren Gedanken zu formulieren, um ihn zu beruhigen.
Irgendwann vor Tagesanbruch schleifte Burrich mich aus einer Spelunke. Er war stocknüchtern und machte ein besorgtes Gesicht. Auf der Straße blieb er unter einer blakenden Fackel an einer Hauswand stehen. »Du hast immer noch Blut im Gesicht«, sagte er und stellte mich aufrecht hin. Er nahm sein Taschentuch, tauchte es in ein Regenfass und wischte mir das Gesicht ab, wie er es nicht mehr getan hatte, seit ich ein Kind gewesen war. Schon diese leichte Berührung brachte mich aus dem Gleichgewicht. Schwankend sah ich ihn an und bemühte mich, sein Gesicht ins Auge zu fassen.
»Ich habe doch nicht zum ersten Mal getötet«, sagte ich undeutlich. »warum ist es diesmal so anders? Warum macht es mich - so krank, hinterher?«
»Weil das töten diese Wirkung hat«, antwortete er leise. Er legte mir einen Arm um die Schultern, und verwundert stellte ich fest, dass wir gleich groß waren. Der Weg zur Burg hinauf war steil, sehr lang und sehr schweigsam. Burrich schickte mich ins Badehaus und empfahl mir, anschließend zu Bett zu gehen und zu schlafen.
Ich hätte seinen Rat befolgen sollen, aber leider war ich nicht vernünftig genug. Glücklicherweise herrschte in der Burg noch reges Leben, wodurch ein weiterer Betrunkener auf der Treppe nicht weiter auffiel. In meinem dumpfen Unverstand ging ich zu Mollys Kammer. Sie ließ mich ein, doch als ich sie in die Arme nehmen wollte, wich sie zurück. »Du bist
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