Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
betrunken«, warf sie mir vor und weinte fast da rüber. »Ich habe dir gesagt, ich werde nie einen Betrunkenen küssen. Oder einem erlauben, mich zu küssen.«
»Aber ich bin nicht auf die Art betrunken, wie du meinst«, verteidigte ich mich.
»Es gibt nur eine Art, betrunken zu sein«, entgegnete sie und schickte mich weg.
Gegen Mittag des nächsten Tages, als ich endlich ausgeschlafen und ernüchtert war, wusste ich, wie sehr ich sie damit verletzt hatte, dass ich nicht gleich zu ihr gekommen war, um Trost zu suchen. Ich konnte nachfühlen, was sie empfand, aber ich wusste auch, was mich in jener Nacht belastet hatte, gehörte nicht zu den Dingen, die man jemandem aufbürdet, den man liebt. Das wollte ich ihr erklären, doch ein Junge kam gelaufen, um mir zu sagen, dass ich sofort auf der Rurisk gebraucht würde. Ich gab ihm einen Heller für seine Mühe und blickte ihm gedankenvoll nach, als er davonflitzte. Früher war ich der Junge gewesen, der sich mit Botengängen einen Heller verdiente. Kerry fiel mir ein. Ich versuchte mich an ihn zu erinnern, wie er gewesen war, aber das Bild wurde ausgelöscht von ihm als Entfremdetem, wie er tot auf einem Tisch aufgebahrt lag. Gestern, dachte ich, war niemand verschleppt und entfremdet worden.
Auf dem Weg zum Hafen hinunter kam ich an den Stallungen vorbei, ging hinein und gab Burrich die goldene Mondsichel. »Bewahr das für mich auf«, bat ich ihn. »Es kommt noch mehr dazu, mein Beuteanteil von gestern. Ich will, dass du es für mich zur Seite legst … alles, was ich in nächster Zeit verdiene. Es ist für Molly. Falls ich einmal nicht wiederkommen sollte, sorg du dafür, dass sie es erhält. Sie ist nicht gerne eine Dienstmagd.«
Seit langem hatte ich mit Burrich nicht so direkt über sie gesprochen. Auf seiner Stirn zeichnrte sich eine tiefe Falte ab, doch er nahm das blutige Schmuckstück. »Was würde dein Vater zu mir sagen?«, fragte er ins Leere hinein, als ich mich müde abwandte, um zu gehen.
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nicht gekannt.«
»FitzChivalric.«
Ich drehte mich wieder zu ihm herum. Burrich hielt meinen Blick fest. »Ich weiß nicht, was er zu mir gesagt hätte. Doch ich glaube, ich spreche in seinem Sinne, wenn ich sage, ich bin stolz auf dich. Nicht das, was er tut, macht den Wert eines Mannes aus, sondern wie er es tut. Sei auch du selbst stolz auf dich.«
»Ich werde es versuchen«, sagte ich und kehrte zurück auf mein Schiff.
Unsere nächste Begegnung mit den Roten Korsaren verlief weniger eindeutig zu unseren Gunsten. Das Zusammentreffen erfolgte auf hoher See, und sie wurden von uns dieses Mal nicht überrascht, denn sie hatten uns lange kommen sehen. Allerdings glaubte ich kaum, dass sie da mit rechneten, dass wir versuchen würden, sie zu rammen. Wir rasierten eine Anzahl ihrer Ruderriemen ab, verfehlten aber das Steuerruder, auf das wir es eigentlich abgesehen hatten. Der Schaden hielt sich in Grenzen, denn die Roten Schiffe waren geschmeidig wie Fische. Unsere Enterhaken flogen. Wir waren ihnen zahlenmäßig überlegen, und der Kapitän gedachte, diesen Vorteil auszunutzen. Die Soldaten sprangen hinüber, die Hälfte unserer Ruderer folgte ihnen. Das Treffen artete zu einem Chaos aus, das sich kurzfristig auch auf unser eigenes Deck ausdehnte. Es bedurfte all meiner Willenskraft, um dem Strudel der Gefühle zu widerstehen, der uns umtoste, doch ich blieb wie Befohlen an meinem Ruder. Nonge beobachtete mich von seiner Bank her mit einem seltsamen Blick. Ich krampfte die Hände um den Ruderschaft und biss die Zähne zusammen, bis ich mich wiedergefunden hatte. Veritas war mir, wie beim ersten Mal, abhanden gekommen.
Der Kampfgeist unserer Soldaten erlahmte etwas, als sie dachten, sie hätten die Besatzung des Korsaren so weit dezimiert, dass die Überlebenden das Schiff nicht mehr manövrieren konnten. Das war ein Fehler, denn einer der Piraten setzte daraufhin das Segel in Brand, während ein zweiter versuchte, ein Loch in den Rumpf zu schlagen. Vermutlich hofften sie, das Feuer werde sich ausbreiten und sie könnten uns mit in die Tiefe reißen. Zuletzt jedenfalls fochten sie ohne Rücksicht auf den Erhalt ihres Schiffes oder ihres eigenen Lebens. Unsere Leute machten schließlich ein Ende mit ihnen, und es gelang uns, den Brand zu löschen. Aber die Prise, die wir im Schlepptau in den Hafen brachten, war rußgeschwärzt und beschädigt, und gegeneinander aufgerechnet hatten wir mehr Männer verloren als sie. Trotz
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