Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
nahm meinen Arm, und ich ging mit ihm.
Der freundliche Raum, das knisternde Feuer, die blanken, reifen Herbstfrüchte in einer Schale - dieses heimelige Idyll stand in derart krassem Gegensatz zu meinen Gefühlen, dass ich gute Lust bekam, all diese Dinge zu zerschlagen. Statt dem Bedürfnis nachzugeben, fragte ich Chade: »Gibt es etwas, das schlimmer ist, als auf Menschen wütend zu sein, die man liebt?«
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »jemanden sterben zu sehen, den man liebt. Und zornig sein, aber nicht zu wissen, auf wen oder was. Ich glaube, das ist schlimmer.«
Ich warf mich auf einen Stuhl und streckte die Beine von mir.
»Listenreich hat Edels schlechte Gewohnheiten angenommen. Er nimmt Rauchkraut und Freudengras. Wer weiß, was alles in seinem Wein ist. Heute Morgen, ohne Drogen, fing er an zu zittern, dann trank er sie in seinen Wein gemischt, nahm eine Nase voll Räucherwerk und schlief ein. Nachdem er mir nochmals gesagt hatte, dass ich Zelerita freien und heiraten solle. Zu meinem eigenen Besten.« Ich musste mir den Jammer von der Seele reden, auch wenn nach meiner Erfahrung Chade bereits schon alles vorher wusste, was ich ihm erzählte.
Ich sah ihm in die Augen. »Ich liebe Molly«, erklärte ich unumwunden. »Ich habe Listenreich gesagt, dass mein Herz einer anderen gehört, und doch Besteht er da rauf, dass ich Zelerita heirate. Er wundert sich, weshalb ich nicht begreife, dass er nur das Beste für mich will. Wie kann er nicht begreifen, dass ich eine Frau heiraten will, die ich liebe?«
Chade machte ein nachdenkliches Gesicht. »Hast du mit Veritas darüber gesprochen?«
»Was würde es nützen? Er konnte ja nicht einmal sich selbst davor bewahren, mit einer Frau vermählt zu werden, die er nicht selbst ausgewählt hatte.« Das war ungerecht Kettricken gegenüber, doch entsprach es der Wahrheit.
»Möchtest du einen Becher Wein?«, fragte Chade beschwichtigend. »Er beruhigt dich vielleicht.«
»Nein.«
Er hob die Augenbrauen.
»Nein, vielen Dank. Nachdem ich heute Morgen gesehen habe, wie Listenreich sich mit Wein ›beruhigt‹ …« Ich ließ den Satz in der Luft hängen. »Ist der Mann niemals jung gewesen?«
»Sehr jung sogar.« Chade gestattete sich ein schmales Lächeln. »Vielleicht erinnert er sich selbst da ran, dass auch Constance eine Frau war, die seine Eltern für ihn ausgesucht hatten. Widerwillig hat er ihr den Hof gemacht, nur widerwillig sie geheiratet. Erst bei ihrem Tod wurde ihm bewusst, wie sehr er sie im Lauf der Zeit lieben gelernt hatte. Desideria hingegen erwählte er blind vor Leidenschaft selbst zu seiner Gemahlin.« Er schwieg. »Aber ich will nicht schlecht von den Toten sprechen.«
»Bei mir ist es anders«, gab ich zu bedenken.
»Inwiefern?«
»Weder bin ich König, noch werde ich je König sein. Wen ich heirate, geht nur mich etwas an.«
»Wäre es nur so ein fach«, meinte Chade bekümmert. »Glaubst du, du kannst Zelerita zurückweisen, ohne Herzog Brawndy vor den Kopf zu stoßen? Und das in einer Zeit, in der die Sechs Provinzen auf jeden Verbündeten angewiesen sind?«
»Ich bin Sicher, ich kann sie davon überzeugen, dass sie mich nicht will.«
»Wie? Indem du dich als Tölpel darstellst? Und deinem König Schande machst?«
Ich fühlte mich in die Enge getrieben. Auswege, ich suchte nach Auswegen, fand aber nur in mir selbst eine Antwort. »Ich heirate niemanden anderes als Molly.« Allein dadurch, dass ich es ausgesprochen hatte, fühlte ich mich besser.
Chade schüttelte den Kopf. »Dann wirst du tatsächlich niemanden heiraten.«
»Vielleicht nicht«, gab ich zu. »Vielleicht werden wir nie dem Namen nach vermählt sein. Aber wir können uns ein gemeinsames Leben aufbauen.«
»Und kleine Bastarde in die Welt setzen.«
Meine Nackenmuskeln spannten sich. Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Sag das nicht«, warnte ich meinen alten Lehrer, wandte ihm den Rücken zu und starrte ins Feuer.
»Ich werde es nicht sagen, aber alle anderen.« Er trat hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern. »Es wäre vielleicht das Klügste, sie freizugeben.«
Die freundschaftliche Berührung ließ den Zorn von mir abfallen. Ich vergrub das Gesicht unter meinen Händen. »Ich kann nicht«, sagte ich, während ich mein Gesicht weiterhin bedeckt hielt. »Ich brauche sie.«
»Und was braucht Molly?«
Einen kleinen Kerzenladen mit Bienenstöcken im Gärtchen hinter dem Haus. Kinder. Einen rechtmäßigen Ehemann. »Du tust das für
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