Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
dunkles Haar, das immer noch nach ihren Kräutern, Thymian und Lavendel, duftete. Mir war elend zu mute. Ich war mir sicher, ich hatte meine Gedanken gut abgeschirmt, wie es mir bei den Treffen mit Molly zur zweiten Natur geworden war.
Doch Veritas hatte seine eigenen Lehren nicht befolgt. Blieb nur zu hoffen, dass ich der einzige unfreiwillige Beteiligte gewesen war. Das vorausgesetzt, bestand möglicherweise kein Grund zur Befürchtung, solange ich Stillschweigen darüber bewahrte. Solange es mir gelang, die Süße von Kettrickens Lippen zu vergessen und die Weichheit ihrer weißen, ach so weißen Haut.
KAPITEL 19
BOTSCHAFTEN
K ronprinz Veritas verließ Bocksburg zu Beginn des dritten Winters der Heimsuchung durch die Roten Schiffe. Mit sich nahm er eine kleine Gruppe handverlesener Gefolgsleute, die ihn auf seiner Forschungsreise begleiten sollten, dazu seine persönliche Leibgarde, die den Auftrag hatte, in Jhaampe, der Hauptstadt des Bergreichs, seine Rückkehr abzuwarten. Er argumentierte, je weniger Leute, desto weniger Ausrüstung; immerhin bedingte eine Reise durchs Gebirge zu dieser Jahreszeit, dass sämtliche Verpflegung sowie das Futter für die Tiere mitgeführt werden mussten. Davon abgesehen, wollte er nicht den Eindruck einer militärischen Expedition erwecken. In seine tatsächlichen Absichten waren außer seinen Reisegefährten nur wenige eingeweiht. Vorgeblich begab er sich in das Bergreich, um mit dem Vater seiner Gemahlin, König Eyod, über mögliche Unterstützung gegen die Roten Korsaren zu verhandeln.
Von denen, die ihn begleiteten, sind einige es wert, erwähnt zu werden. Hod, Waffenmeisterin von Bocksburg, gehörte zu den Ersten, die er auswählte. Ihr taktisches Genie wurde von keinem im Reich übertroffen, und ihr Geschick im Umgang mit Waffen war immer noch bemerkenswert, trotz ihrer fortgeschrittenen Jahre. Charim, Veritas’ Kammerdiener, war schon so lange bei ihm und hatte ihn auf so vielen Kampagnen begleitet, dass gar nicht erst der Gedanke aufkam, er könne zurückbleiben. Maron, so braun im Antlitz wie sein Name nahelegte, gehörte seit mehr als zehn Jahren Veritas’ Leibwache an. Ihm fehlten ein Auge und der größte Teil einer Ohrmuschel; ungeachtet dessen schien er doppelt so alt zu sein wie irgendein anderer Mann. Keef und Kef, Zwillinge und wie Maron Angehörige von Veritas’ persönlicher Garde, gehörten ebenfalls zum Begleitzug. Burrich, der Stallmeister von Bocksburg, schloss sich dem Trupp aus freiem Willen an. Als man Einwände erhob, weil er Bocksburg verlassen wollte, rechtfertigte er sich damit, dass er sein Amt einem fähigen Stellvertreter übergeben habe, und überdies brauche die Reisegesellschaft jemanden, der sich auf Tiere verstand und fähig war, sie mitten im Winter wohlbehalten durch die Berge zu bringen. Auch seine Fähigkeiten als Heiler und seine Erfahrung als des Königs Behüter für Prinz Chivalric führte er an, aber gerade diese letzte Tatsache war nur wenigen bekannt.
Am Abend vor dem Aufbruch ließ Veritas mich in sein Arbeitszimmer kommen. »Du bist nicht einverstanden, habe ich Recht? Du hältst es für ein törichtes Unterfangen?« Mit diesen Worten empfing er mich.
Ich musste lächeln. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. »Es stimmt, dass ich ernsthafte Bedenken habe«, gab ich vorsichtig zu.
»So wie ich. Aber was bleibt mir anderes übrig? Dieses Unternehmen bietet mir wenigstens die Möglichkeit, selbst etwas zu tun. Außer in diesem verdammten Turm zu sitzen und zu fühlen, wie ich langsam, aber sicher vertrockne.«
Während der letzten Tage hatte er mit akribischer Sorgfalt eine Kopie von Kettrickens Landkarte angefertigt. Ich schaute zu, wie er sie zusammenrollte und in einer Lederhülse verstaute. Die Verwandlung, die er in der vergangenen Woche durchgemacht hatte, war erstaunlich. Sein Haar war immer noch grau, sein Körper immer noch hager, die Muskeln nach Monaten des Stillsitzens geschwunden, doch er bewegte sich mit neuem Schwung, und seit seine Abreise feststand, waren er und Kettricken jeden Abend in der großen Halle erschienen. Es war eine Freude gewesen, ihn mit gesundem Appetit essen zu sehen, und dass er wie früher bei einem Glas Wein verweilte, während Samten oder ein anderer Minnesänger die Anwesenden unterhielt. Außerdem herrschte zwischen ihm und Kettricken nun eine warme Vertrautheit. Bei Tisch ließ sie den Blick kaum je vom Gesicht ihres Gemahls, und während die Musikanten aufspielten,
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