Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Vielleicht hatte sich Veritas’ Unordentlichkeit einmal als nützlich erwiesen. Ich fand einen alten Sporn, eine durchgebrochene Gürtelschnalle und eine Geweihzacke, an der jemand angefangen hatte herumzuschnitzen, und noch allerlei weiteren Kram dieser Art- auch ich wäre von allein nicht auf die Idee gekommen, dazwischen ein Smaragdkollier zu suchen. Aber da war es, eingewickelt in ein Stück Stoff. Es gab im Zimmer noch etliche andere kostbare Gegenstände, von denen Veritas wollte, dass ich sie an mich nahm. Während ich sie einsammelte, wuchs meine Verwirrung. Wenn man diese nicht gestohlen hatte, worauf konnte man es dann abgesehen haben?
    Methodisch sortierte ich ein Dutzend Landkarten aus und nahm einige andere von den Wänden ab. Als ich mich daran machte, sie sorgfältig zusammenzurollen, kam Kettricken leise herein. Die Macht hatte mich auf sie aufmerksam gemacht, noch bevor ihre Hand die Tür berührte, deshalb hob ich ohne Überraschung den Kopf und schaute ihr entgegen. Veritas’ Gefühle brandeten durch mich hindurch, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ihr Anblick schien seine Gegenwart in mir zu stärken. Sie war bezaubernd mit ihrer hellen Haut und in ihrem schmalen Gewand aus weicher blauer Wolle. Ich hielt den Atem an und wandte den Blick ab.
    »Veritas wollte, dass sie weggeräumt werden. Feuchte Luft schadet ihnen, und hier wird nur selten einmal Feuer gemacht, wenn er nicht da ist.« Ich schob die Karte in eine Lederhülse.
    Kettricken nickte. »Es wirkt so leer und kalt hier drin ohne ihn. Und das nicht nur, weil kein Feuer brennt. Sein Geruch fehlt, seine Unordnung …«
    »Dann habt Ihr aufgeräumt?«, fragte ich, als wäre es nicht besonders wichtig.
    »Nein!« Sie lachte. »Mein Aufräumen würde nur sein liebevoll gehegtes Chaos zerstören, in dem er sich wohlzufühlen behauptet. Nein, ich lasse hier alles unberührt, bis er wiederkommt. Ich möchte, dass er bei seiner Heimkehr alles am gewohnten Platz vorfindet.« Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Aber dieses Zimmer soll unsere geringste Sorge sein. Ich habe heute Morgen einen Pagen zu dir geschickt, aber du warst nicht da. Hast du gehört, was in Holüber geschehen ist?«
    »Nur, was allgemein darüber geredet wird.«
    »Dann geht es dir wie mir. Man hat es nicht für nötig befunden, mich zu unterrichten«, sagte sie kalt, doch ihre Augen verrieten tiefe Enttäuschung. »Das meiste erfuhr ich von Lady Modeste, die Edels Leibdiener mit ihrer Zofe sprechen hörte. Die Torwache ging zu Edel und meldete ihm das Eintreffen des Boten. Hätten sie nicht eigentlich zu mir kommen müssen? Gelte ich ihnen denn nicht als Königin?«
    »Hoheit«, erinnerte ich sie sanft, »von Rechts wegen hätte man König Listenreich die Meldung bringen müssen. Ich vermute, das hat man getan, und Edels Männer, die vor des Königs Gemächern Posten stehen, haben dann nach ihm statt nach Euch geschickt.«
    Sie hob den Kopf. »Das wird nicht noch einmal vorkommen. Man kann dieses Spiel auch zu zweit spielen.«
    »Ich frage mich, ob noch andere Nachrichten in ähnlicher Weise an den falschen Empfänger übermittelt worden sind«, überlegte ich laut.
    Das Blau ihrer Augen verwandelte sich zu einem frostigen Grau. »Was soll das bedeuten?«
    »Denkt nur an die Alarmvögel, die Signalfeuer. Die Botschaft, die Will im Roten Turm mit der Gabe an Serene übermittelt hat. Wenigstens einer dieser Hilferufe hätte uns erreichen müssen. Einer kann ungehört verhallen, aber alle drei?«
    Sie wurde blass, ihr Verstand erfasste die Bedeutung dessen, was ich gesagt hatte. »Der Herzog von Bearns wird glauben, wir hätten ihn im Stich gelassen. Dies ist Verrat, um Veritas zu diffamieren.« Ihre Augen wurden sehr rund, und plötzlich zischte sie mich an. »Ich werde das nicht dulden!«
    Sie fuhr herum und eilte zur Tür, wobei aus jeder ihrer Bewegungen flammender Zorn sprach. Im letzten Moment gelang es mir, mich ihr mit einem Sprung in den Weg zu stellen und sie aufzuhalten. »Hoheit, meine Königin, ich bitte Euch, wartet! Wartet und denkt nach!«
    »Nachdenken? Worüber? Wie wir am besten das ganze Ausmaß dieser Perfidie enthüllen können?«
    »Wir befinden uns in keiner guten Position, um Anklage zu führen. Bitte wartet. Überlegen wir gemeinsam. Ihr glaubt, wie ich, dass Edel geschwiegen hat, obwohl er von der Katastrophe wusste. Aber wir haben keinen Beweis dafür. Überhaupt keinen. Und vielleicht haben wir uns geirrt. Wir müssen Schritt für Schritt

Weitere Kostenlose Bücher