Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
vorgehen, um nicht Uneinigkeit zu stiften, wo wir sie am wenigsten gebrauchen können. Die erste Person, mit der wir sprechen müssen, ist König Listenreich. Um festzustellen, ob er sich dieser Vorgänge bewusst ist und ob er Edel freie Hand gegeben hat.«
»Das würde er nie tun!«, erklärte sie aufgebracht.
»Er ist oft nicht er selbst«, gab ich zu bedenken. »Doch nur ihm, nicht Euch, steht es zu, Edel öffentlich zu maßregeln, falls es öffentlich geschehen soll. Wenn Ihr gegen ihn sprecht und der König nimmt ihn in Schutz, wird der Adel eine Spaltung im Haus Weitseher wittern. Schon jetzt gibt es zwischen den Herzögen zu viel an Unsicherheit und Ressentiments. Wir dürfen nicht weiter riskieren, die Inlandprovinzen gegen die Küstenprovinzen aufzubringen, zumal Veritas nicht am Hof ist.«
Sie holte tief Atem. Ich konnte sehen, dass sie immer noch vor Zorn bebte, aber wenigstens hörte sie mir nun zu.
»Deshalb hat er dich zurückgelassen, Fitz. Um diese Dinge für mich zu sehen.«
»Wie?« Ich war verwirrt.
»Ich dachte, du hättest es gewusst. Du musst dich doch gewundert haben, weshalb er dich nicht aufgefordert hat, ihn zu begleiten. Der Grund ist, dass ich ihn gefragt habe, wem ich als Ratgeber vertrauen könnte. Er sagte, ich solle mich an dich wenden.«
Hatte er Chades Existenz vergessen, fragte ich mich, aber dann fiel mir ein, dass Kettricken ja nichts von Chade wusste. Veritas hatte geplant, dass ich als Vermittler fungieren sollte. In mir spürte ich seine Bestätigung. Chade sollte wie immer im Hintergrund bleiben.
»Überlegen wir weiter«, meinte sie. »Was wird als Nächstes geschehen?«
Sie hatte Recht. Dies musste ein Nachspiel haben.
»Wir werden sicher Besuch bekommen - mit Herzog von Bearns und seinen Vasallen. Auch Herzog Brawndy ist nicht der Mann, der eine Mission wie diese einfachen Abgesandten überlässt. Er wird persönlich herkommen und nach Erklärungen verlangen, woraufhin sämtliche Küstenprovinzen darauf lauschen werden, was man ihm zu sagen hat. Bearns bietet den Piraten abgesehen von unserer eigenen Provinz die größte Angriffsfläche.«
»Dann müssen wir Antworten bereithaben, die ihn überzeugen«, sagte Kettricken. Sie schloss die Augen, legte die Hände an die Stirn, dann auf ihre Wangen. Ich merkte, wir sehr sie bemüht war, sich zu Beherrschen. Schließlich sah sie mich wieder an. »Ich werde König Listenreich aufsuchen und mit ihm über alles sprechen, was geschehen ist. Ich werde ihn fragen, was er zu tun gedenkt. Er ist der König. Man muss es ihm in Erinnerung rufen.«
»Das ist ein weiser Entschluss.«
»Ich muss allein zu ihm gehen. Wenn du mich ständig begleitest, könnten wir den Anschein erwecken, als würdest du nicht von meiner Seite weichen, was mir wiederum als Schwäche und Beeinflussbarkeit ausgelegt werden könnte. Und wie du schon sagtest, dann wird man an fangen, von einem Bruch in der Regierung zu munkeln. Du verstehst, was ich meine?«
»Ich verstehe.« Obwohl ich gerne gehört hätte, was Listenreich zu ihr sagen würde.
Sie deutete auf die Karten und Gegenstände, die ich auf einen Tisch gelegt hatte. »Hast du einen sicheren Aufbewahrungsort dafür?«
Chades Gemächer. »Ja.«
»Gut.« Sie machte eine Handbewegung, und ich merkte, dass ich ihr immer noch den Weg versperrte. Ich trat zur Seite. Als sie an mir vorbeischritt, hüllte mich ihr süßer Duft aus den Bergen ein. Meine Knie wurden weich, und ich verfluchte das Schicksal, dass Smaragde zum Wiederaufbau von Häusern dienen mussten, statt diesen anmutigen Hals zu schmücken. Doch ich wusste auch, und es erfüllte mich mit heißem Stolz, selbst wenn ich sie ihr in diesem Moment zum Geschenk machte, würde sie doch darauf bestehen, dass sie verwendet wurden, um in Holüber die schlimmste Not zu lindern. Ich ließ das Kollier in die Tasche gleiten. Vielleicht gelang es ihr ja, König Listenreich aufzurütteln, so dass er Edel zwang, den Staatssäckel zu öffnen. Dann würden sich nach meiner Rückkehr die kühlen, funkelnden Steine an diese warme Haut schmiegen.
Hätte Kettricken zurückgeschaut, hätte sie gesehen, wie die Gedanken ihres Gemahls dem Fitz die Röte in die Wangen trieben.
Ich ging zu den Ställen hinunter. Sie waren immer ein Ort gewesen, an dem ich Ruhe fand, und seitdem Burrich fort war, fühlte ich mich irgendwie verpflichtet, von Zeit zu Zeit nach dem Rechten zu sehen. Nicht, dass Flink den Ein druck machte, als brauchte er meine Hilfe. Diesmal
Weitere Kostenlose Bücher