Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
glauben, als wäre es Veritas, der zu Euch spricht. All dies ist nichts als eine hinterhältige Verleumdung. Ich werde diesem Netz von Lügen auf den Grund gehen und es weit aufreißen. Wir werden sehen, was für eine Sorte Fisch herausfällt.«
»Ich kann darauf vertrauen, dass du deine Nachforschungen unauffällig betreibst?«
»Hoheit, Ihr gehört zu den wenigen, die wissen, wie viel Übung ich in der Durchführung von unauffälligen Unternehmungen habe.«
Sie nickte ernst. »Der König, musst du wissen, hat nichts verneint und keine Einwände erhoben. Mir kam es vor, als könne er Edels Worten nicht recht folgen. Er war … wie ein Kind, das zuhört, was die Erwachsenen reden, dazu nickt, aber nur die Hälfte davon versteht.« Sie blickte dabei liebevoll auf Rosemarie herab.
»Ich werde gehen und den König aufsuchen, und glaubt mir, ich werde bald schon Antworten für Euch haben.«
»Bevor Herzog Bearns eintrifft«, ermahnte sie mich. »Bis dahin muss ich die Wahrheit wissen. Die zumindest schulde ich ihm.«
»Wir werden mehr für ihn haben als nur das, Hoheit«, versprach ich ihr. Die Smaragde wogen schwer in meinem Beutel. Ich wusste, sie würde es begrüßen, die Steine für den Wiederaufbau in Bearns verwendet zu sehen.
KAPITEL 20
MISSGESCHICKE
W ährend der Jahre der Heimsuchung durch die Roten Korsaren hatten die Sechs Provinzen schwer unter ihren Grausamkeiten zu leiden. In jener Zeit entwickelte die Bevölkerung unseres Landes einen größeren Hass auf die Outislander als je zuvor.
Früher befuhren die Outislander sowohl als Händler als auch als Freibeuter die Meere. Raubüberfälle an der Küste waren nur die Aktionen Einzelner. Einen Piratenkrieg wie den, den wir erlebten, hatte es seit den Tagen von König Weise nicht mehr gegeben. Obwohl solche Überfälle nicht eben Seltenheitswert besaßen, liefen erheblich mehr Outislander unsere Häfen an, um Handel zu treiben. Die Blutsbande unserer Adelshäuser zu den Fernen Inseln galten nicht als Schmach, und manch eine Familie hatte einen ›Vetter‹ dort.
Doch nach den Raubzügen, die Ingot vorausgingen, und dann den Scheußlichkeiten von Ingot selbst fand niemand mehr ein gutes Wort für die Outislander. Von jeher waren es zumeist ihre Schiffe gewesen, die unsere Küsten besuchten, weniger häufig zog es unsere Handelsschiffe in ihre unberechenbaren Gewässer und von Eis bedrohten Häfen. Nun kam der friedliche Handel gänzlich zum Erliegen, und die Verbindung zu unseren Verwandten von den Fernen Inseln brach ab. Der Begriff ›Outislander‹ wurde gleichbedeutend mit Pirat, und in unserer Vorstellung hatten alle Outislanderschiffe einen blutroten Rumpf.
Doch Chade Irrstern, vertrauter Ratgeber König Listenreichs, nahm es auf sich, in jenen gefahrvollen Tagen eine Reise zu den Fernen Inseln anzutreten. Aus seinen Tagebüchern dieser Auszug:
»Kebal Steinbrot war ein Name, den in den Sechs Provinzen niemand kannte, und auf den Fernen Inseln wagte man ihn kaum im Flüsterton auszusprechen. Die freisinnigen Bewohner der weitverstreut und einsam liegenden Dörfer hatten niemals einen gemeinsamen König über sich anerkannt. Auch betrachtete man Kebal Steinbrot nicht als König, sondern vielmehr als eine böse Macht, wie einer kalter Wind, der Masten und Takelage eines Schiffes so dick mit Eis überzieht, dass es binnen kurzem kentert und kieloben auf den Wellen treibt.
Die wenigen Menschen, denen nicht die Angst den Mund verschloss, erzählten mir, Kebal hätte seinen Aufstieg damit begonnen, dass er die unabhängigen Piraten unter seinem Kommando vereinigte. Mit diesem Rückhalt machte er sich daran, die besten Navigatoren zu ›rekrutieren‹, die fähigsten Schiffsführer und die verwegensten Kämpfer, die in den Siedlungen zu finden waren. Wer sich ihm nicht anschließen wollte, musste erleben, dass seine Familie entfremdet wurde - gebrandmarkt, wie es sie nennen. Dann überließ man ihn seinem Leid. Die meisten der so Gestraften sahen sich gezwungen, eigenhändig Familienangehörige zu töten; die Outislander haben strenge Gesetze, was die Pflicht eines Sippenältesten angeht, Ordnung in seinem Haus zu halten. Je mehr die Nachrichten von diesen Vorfällen sich ausbreiteten, desto weniger leistete man Kebal Steinbrot Widerstand. Manche flohen, ihre weitverzweigten Familien entgingen dennoch nicht dem Schicksal der Entfremdung. Andere entschieden sich für Selbstmord, doch auch ihre Familien blieben nicht verschont. Diese Beispiele führten
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