Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
müssen, an dem aus Bocksburgs Ställen die besten Tiere verkauft werden.« Während ich sprach, schaute ich Edel an.
»Auch mich kostet es Überwindung, aber der Zustand unserer Staatskasse zwingt uns zu drastischen Maßnahmen.« Er musterte mich kühl. »Teile der Schaf- und Rinderherden werden wir ebenfalls veräußern müssen. Wir haben nicht genug Futter, um sie über den Winter zu bringen; besser, wir trennen uns von ihnen, als dass wir zusehen, wie sie langsam verhungern.«
Ich brauste auf. »Woher so plötzlich diese Teuerung? Ich habe nichts von einer Missernte gehört. Die Zeiten sind schwer, das stimmt, aber …«
»Du hast nichts gehört, weil du taub gewesen bist. Während gewisse Leute sich mit den ruhmreichen Aspekten des Krieges befassten, blieb es mir überlassen, dazu die Mittel herbeizuschaffen. Jetzt sind unsere Schatztruhen so gut wie leer. Morgen werde ich den Männern auf der Werft unten sagen, dass sie entweder um den Dank des Vaterlandes weiterarbeiten oder nach Hause gehen müssen. Es ist kein Geld mehr da, um sie zu bezahlen, und auch nicht für das Material, das für den Bau der Schiffe gebraucht wird.« Er lehnte sich zurück und sah mich an.
Veritas in mir bäumte sich auf. Ich wandte mich an den König. »Ist das wahr, Eure Majestät?«
Der alte Mann schrak zusammen. Er schaute zu mir hin und blinzelte mehrmals. »Ich habe diese Papiere unterzeichnet, oder nicht?« Offenbar beschäftigten sich seine Gedanken immer noch mit Herzog Ram und den Pferden, und er hatte unser weiteres Gespräch gar nicht mitverfolgt. Der Narr zu seinen Füßen verhielt sich ungewohnt schweigsam. »Ich dachte, ich hätte es getan. Nun, dann gebt sie mir, da mit wir diese lästige Angelegenheit hinter uns bringen und über Erfreulicheres plaudern können.«
»Was ist mit der Lage in Bearns? Stimmt es, dass die Korsaren sich auf den Nahen Inseln festgesetzt haben?«
»Die Lage in Bearns …«, sagte er und verstummte. Er nahm einen weiteren Schluck Tee.
»An der Lage in Bearns lässt sich leider nichts ändern«, antwortete Edel statt seiner in bedauerndem Ton. »Es ist an der Zeit, dass Bearns lernt, sich selbst zu helfen. Wir können nicht alle Sechs Provinzen an den Bettelstab bringen, um ein Stück unfruchtbare Küste zu schützen. Also haben die Korsaren sich einen trostlosen Haufen Steine unter den Nagel gerissen. Mögen sie Freude daran haben. Unsere vornehmste Pflicht ist es, für die Sicherheit unserer eigenen Bevölkerung zu sorgen und unsere eigenen zerstörten Dörfer wiederaufzubauen.«
Ich wartete vergebens darauf, dass Listenreich sich äußerte und sich zu seiner Pflicht als Lehnsherr bekannte. Als er schwieg, fragte ich mit mühsam erzwungener Ruhe: »Holüber kann man wohl kaum als einen trostlosen Haufen Steine bezeichnen. Jedenfalls war es das nicht, bis die Roten Schiffe kamen. Und seit wann ist Bearns nicht mehr Teil der Sechs Provinzen?« Ich sah Listenreich an und versuchte, seinen Blick einzufangen. »Majestät, ich bitte Euch, lasst Serene kommen. Sie soll mit der Gabe zu Veritas sinnen, damit Ihr Euch mit ihm beraten könnt.«
Edel wurde unseres Katz-und-Maus-Spiels überdrüssig. »Seit wann fühlt der Stallbursche sich berufen, Politik zu betreiben?«, fuhr er mich an. »Kannst du dir nicht vorstellen, dass der König alleine imstande ist, Entscheidungen zu treffen, ohne vorher die Zustimmung seines Thronfolgers einzuholen? Bezweifelst du die Richtigkeit der Entscheidungen deines Monarchen, Fitz? Hast du vergessen, wohin du gehörst? Ich weiß, Veritas hat so etwas wie ein Schoßhündchen aus dir gemacht, und vielleicht sind dir deine Heldentaten mit der Axt zu Kopfe gestiegen, aber dein Gönner ist auf der Jagd nach einem Hirngespinst, und so bleibt es mir überlassen, die Sechs Provinzen so gut wie möglich über Wasser zu halten.«
»Ich war da bei, als Ihr den Vorschlag, die Uralten zu suchen, unterstützt habt«, erinnerte ich ihn. König Listenreich schien immer noch in einen Tagtraum versunken zu sein. Er starrte weiter unverwandt ins Feuer.
»Und das kann ich mir selbst nicht mehr erklären«, entgegnete Edel glatt. »Wie schon gesagt, du bildest dir allerlei Schwachheiten ein. Du sitzt am Hohen Tisch, die Freigebigkeit des Königs kleidet dich und irgendwie scheinst du dabei vergessen zu haben, dass dir aus diesen Wohltaten Pflichten und keine weiteren Rechte erwachsen. Lass mich dir sagen, wer du in Wirklichkeit bist, Fitz.« Edel schwieg einen Moment. Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher