Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
den Ein druck, dass er den König anschaute, um abzuschätzen, wie weit er gehen konnte. »Du«, fuhr er dann mit gedämpfter, honigsüßer Stimme fort, »du bist der missratene Bastard eines Prinzen, der hoffnungslos versagt hat und der nicht ein mal Rückgrat genug hatte, sich als Thronfolger zu behaupten. Du bist der Enkel einer toten Königin, deren eigene gewöhnliche Herkunft sich spätestens darin zeigte, als ihr ältester Sohn ein gewöhnliches Weib beschlief, um dich zu zeugen. Du, der du dich mit dem tönenden Namen FitzChivalric Weitseher schmückst, brauchst dich nur einmal zu kratzen, um darunter Namenlos, den Stallburschen, zu finden. Sei dankbar, dass ich dich nicht zu den Misthaufen zurückschicke, sondern dir erlaube, weiter im Palas zu wohnen.«
Ich weiß nicht, was ich bei all diesen Worten empfand. Nachtauge knurrte, weil er das Gift in Edels Stimme herausspürte, während Veritas in diesem Moment nicht vor einem Brudermord zurückgeschreckt wäre. Nur König Listenreich hatte nichts gehört und nichts bemerkt. Er hielt mit beiden Händen seinen Teebecher fest und träumte am Kaminfeuer vor sich hin. Aus den Augenwinkeln sah ich den Narren. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Furcht ab, unsägliche Furcht. Und er schaute dabei nicht Edel an, sondern mich.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich erhoben hatte und in drohender Haltung vor Edel stand. Sein Blick flackerte für einen kurzen Augenblick, aber er wartete im Grunde nur mit triumphierender Miene darauf, dass ich ihn schlug, damit er die Wachen rufen konnte. Hochverrat - das bedeutete den Strang. Ich bemühte mich, langsam auszuatmen, und Befahl meinen Fäusten, sich zu öffnen. Sie wollten nicht. Ruhig, sagte ich zu ihnen, ganz ruhig, oder ihr seid mein Tod. Erst als ich sicher war, dass meine Stimme mir wieder gehorchte, wagte ich zu sprechen.
»Mit ist heute Abend manches klargeworden.« Ich wandte mich an König Listenreich. »Majestät, ich wünsche Euch eine gute Nacht und bitte um die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen.«
»Wie bitte? Dann hattest du also einen - beunruhigenden Tag, mein Junge?«
»Das ist richtig, Majestät.« Ich schaute in seine Greisenaugen, die zu mir auf blickten, und versuchte, ihn darin wiederzufinden. Doch er war nicht mehr dort. Nicht so wie früher einmal. Er blinzelte verwirrt.
»Nun, dann solltest du dich vielleicht schlafen legen. Wie ich auch. Narr? Narr, ist mein Bett vorbereitet? Schieb die Wärmpfanne zwischen die Decken. Die Nächte sind so kalt dieser Tage. Ha! Da habe ich ein feines Wortspiel für dich, Narr. Wie würdest du es richtig sagen?«
Der Narr sprang auf und verneigte sich tief. »Ich würde sagen, auch die Tage atmen dieser Nächte die Kälte des Todes, Majestät. Schade mögt Ihr finden, dass der Mond, die Sonne der Nacht, keine Wärme spendet, doch spendet er Trost und Weisheit, während das helle Tagesgestirn, so wir’s auch edel nennen, den Unbedachten oft mit seiner tückischen Glut versengt.«
König Listenreich kicherte in sich hinein. »Du redest wieder nur Unfug, Narr, aber wann hättest du je etwas anderes getan. Gute Nacht und ab ins Bett mit euch jungem Volk. Gute Nacht. Gute Nacht.«
Ich zog mich gleich zurück, während Edel sich noch etwas formeller von seinem Vater verabschiedete. Es war nicht leicht, an Wallaces affektiertem Lächeln vorbeizugehen, ohne es ihm aus dem Gesicht zu wischen. Als ich auch dieser Versuchung glücklich entronnen war, ging ich so fort in mein Zimmer. Klug sein und den Rat des Narren beherzigen, dachte ich - bei Chade Trost und Weisheit finden, statt mich von Edels tückischer Glut versengen zu lassen.
Ich blieb den ganzen Abend in meinem Zimmer. Molly würde sich wundern, dass ich nicht kam, aber heute Nacht konnte ich mich ein fach nicht überwinden, aus der Tür zu schlüpfen, die Treppe hinaufzuschleichen und in der ständigen Angst durch die Flure zu huschen, dass plötzlich jemand aus den Schatten oder einer Tür hinaustreten und mich dort ertappen könnte, wo ich nichts zu suchen hatte. Noch vor kurzem hätte ich mich in Mollys Arme geflüchtet und in ihrer Wärme und Zuneigung ein gewisses Maß an Frieden gefunden. Das war vorbei. Jetzt bedrückten mich die Heimlichkeiten unserer Stelldicheins, die Angst vor der Entdeckung und ein ständiges Auf-der-Hut-sein, das auch dann nicht endete, wenn sich ihre Tür hinter mir schloss. Denn Veritas war bei mir, und ständig musste ich aufpassen, dass nichts von dem, was ich mit
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