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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Molly fühlte oder dachte, in seinen Bereich überströmte.
    Ich schob das Pergament zur Seite, mit dem ich mich zunächst hatte beschäftigen wollen. Welchen Nutzen hatte es jetzt noch, in vergilbten Schriften nach obskuren Hinweisen auf die Uralten zu suchen? Veritas würde finden, was es zu finden gab. Ich warf mich auf mein Bett und starrte zur Decke. Mochte ich auch äußerlich entspannt wirken, innerlich kam ich nicht zur Ruhe. Meine Verbindung mit Veritas steckte mir wie ein Haken im Fleisch. So musste sich ein gefangener Fisch fühlen, wenn er gegen die Angelschnur ankämpfte. Mein Bund mit Nachtauge existierte auf einer tieferen, subtileren Ebene, doch auch er war da mit seinen grünschillernden Augen, die in einem dunklen Winkel meines Selbst aufleuchteten. Diese Teile von mir ruhten oder schliefen niemals, sie waren immer spürbar. Und diese andauernde Belastung forderte ihren Tribut.
    Stunden später zischten die Kerzenflammen in Pfützen aus flüssigem Wachs, und das Feuer war niedergebrannt. Ein frischer Luftzug verriet mir, dass Chade seine lautlose Tür geöffnet hatte. Ich stand auf und folgte der Einladung, doch mit jedem Schritt die dunkle Treppe hinauf wuchs mein Zorn. Nicht jener Zorn, der dazu führt, dass Männer sich anbrüllen und mit den Fäusten aufeinander losgehen. Dieser Zorn setzte sich aus ebenso vielen Bestandteilen Erschöpfung, Enttäuschung wie auch Schmerz zusammen. Es war die Art von Zorn, die einen Mann dazu bringt, die Hände zu heben und einfach zu sagen: »Ich kann es nicht mehr länger ertragen.«
    »Was nicht mehr ertragen?«, erkundigte sich Chade. Er stand an seinem fleckigen Steintisch und hob den Blick von dem Mörser, in dem er irgendein Ingredienz zu Pulver zerstieß. Die aufrichtige Anteilnahme in seiner Stimme veranlasste mich, auf der Schwelle zu verharren und den Mann zu betrachten, zu dem ich die Worte gesprochen hatte, ohne es zu merken. Ein hochgewachsener, hagerer Assassine. Pockennarbig. Das Haar inzwischen fast schlohweiß. Gekleidet in das immer gleiche graue Gewand, fleckig und mit kleinen Brandlöchern übersät - was Spuren seiner Arbeit waren. Ich fragte mich, wie viele Männer er für seinen König auf einen Wink oder Kopfnicken hin getötet hatte. Getötet, ohne Fragen zu stellen, getreu seinem Eid. Ungeachtet all dieser Todesfälle war er ein sanfter Mensch. Plötzlich brannte mir eine Frage auf der Zunge, über der ich vergaß, die seine zu beantworten.
    »Chade, hast du jemals einen Menschen nur zu deinem eigenen Nutzen getötet?«
    Er machte ein verwundertes Gesicht. »Nur zu meinem eigenen Nutzen?«
    »Ja.«
    »Du meinst, um mein Leben zu schützen.«
    »Nicht unbedingt. Ich meine, nicht im Auftrag des Königs. Ich meine, getötet, um - dein Leben einfacher zu machen.«
    Er schnaubte. »Selbstverständlich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Man geht nicht herum und tötet Leute, weil es einem gerade passt. Das ist ein Verbrechen. Es ist Mord, Junge.«
    »Außer, man tut es für den König.«
    »Außer, man tut es für den König«, stimmte er zu.
    »Chade, worin besteht der Unterschied? Ob du es für dich selbst tust oder für Listenreich?«
    Er seufzte, ließ ab von seiner Pulvermischung, kam um den Tisch herum und setzte sich auf einen hochbeinigen Hocker. »Ich kann mich erinnern, dieselben Fragen gestellt zu haben, als ich in deinem Alter war. Allerdings mir selbst, weil mein Lehrer nicht mehr lebte.« Er sah mir fest in die Augen. »Es ist eine Frage des Glaubens. Glaubst du an deinen König? Und dein König muss für dich mehr sein als dein Halbbruder oder dein Großvater. Er muss mehr sein als der gute alte Listenreich oder Veritas, die ehrliche Haut. Er muss der Souverän sein, das Herz des Königreichs, die Nabe des Rades. Ist er das, und wenn du glaubst, dass die Sechs Provinzen es wert sind, erhalten zu werden, dass es dem Wohl unseres Volkes dient, den Richtspruch des Königs zu vollstrecken, dann, nun ja.«
    »Dann kannst du für ihn töten.«
    »Richtig.«
    »Hast du je wider besseres Wissen getötet?«
    »Du stellst viele Fragen heute Nacht.« Chades Tonfall mahnte zur Vorsicht.
    »Vielleicht hast du mich zu lange allein gelassen, so dass ich Muße hatte, über dies und jenes nachzugrübeln. Früher, als wir jede Nacht beschäftigt waren, habe ich nicht so viel nachgedacht. Aber jetzt tue ich es.«
    Er nickte langsam. »Denken ist nicht immer - angenehm. Es ist immer gut, aber nicht immer angenehm. Ja. Ich habe wider besseres Wissen

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