Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
verstehen, dass sie aus eigenem Ermessen handelte, unabhängig von den Entscheidungen des Königs oder Edel. Sie bat ihn nicht, darüber zu schweigen, denn es war unnötig.
Ich dachte an die Smaragde, die verborgen in einer Ecke meiner Kleidertruhe lagen, doch als auch Veritas in mir schwieg, befand ich, dass sie vorläufig ruhig dort bleiben sollten, wo sie waren. Vielleicht kam doch noch der Tag, an dem Veritas sie seiner Gemahlin um den Hals legte. Davon abgesehen, wollte ich die Bedeutung ihres Geschenks nicht dadurch mindern, dass ich ihm ein weiteres von einem Bastard hinzufügte. Denn als solches hätte ich es ihm überreichen müssen. Nein, beschloss ich. Sollten die Gabe der Königin und das dramatische Szenario sich als einzigartig in seine Erinnerung einprägen.
Brawndy wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. »Hoheit, Ihr scheint diesem jungen Mann großes Vertrauen entgegenzubringen, dass Ihr ihn bei unserem Gespräch zugegen sein lasst.«
»Allerdings«, bestätigte Kettricken ernst. »Und er hat es noch nie enttäuscht.«
Brawndy nickte, als hätte er eine eigene Ansicht bestätigt gefunden. Er gestattete sich ein schmales Lächeln. »Meine jüngste Tochter, Zelerita, war etwas verstört über einen Brief, den Lord FitzChivalric ihr geschrieben hatte. Besonders, weil ihre älteren Schwestern ihn zuerst in die Hände bekamen und einiges darin fanden, um sie zu necken. Doch als sie mit ihren Zweifeln zu mir kam, sagte ich ihr, es ist ein außergewöhnlicher Mann, der sich offen zu Dingen bekennt, die ihm als Schwäche ausgelegt werden könnten. Nur ein Maulheld würde von sich behaupten, ohne Angst in eine Schlacht zu gehen, und ich hätte Bedenken, einem Mann zu vertrauen, der tötet und hinterher keine Erschütterung darüber empfindet. Was Eure körperliche Verfassung und Gesundheit angeht, junger Freund«, er schlug mir auf die Schulter, »so würde ich sagen, ein Sommer am Ruder und mit der Axt haben Euch gutgetan.« Seine Falkenaugen bohrten sich in meine. »Ich habe meine Meinung über Euch nicht geändert, FitzChivalric, und Zelerita ebenfalls nicht. Das sollt Ihr wissen.«
Ich wusste, welche Antwort man von mir erwartete. »Ich danke Euch, Hoheit.«
Er sah über die Schulter, und ich folgte seinem Blick durch die Regenschleier bis zu der Stelle, wo Zelerita stand und zu uns herschaute. Ihr Vater nickte, und ihr Lächeln brach hervor wie die Sonne hinter dunklen Wolken. Fidea sagte etwas zu ihr, worauf die errötende Zelerita ihrer Schwester einen Stoß gab. Mein Magen krampfte sich zusammen, als Brawndy zu mir sagte: »Ihr dürft Euch von meiner Tochter verabschieden, wenn Ihr wollt.«
Kaum etwas hätte ich weniger gewollt, aber ich durfte nicht zerstören, was Kettricken so umsichtig geschaffen hatte. Ich konnte es nicht. Also verneigte ich mich und ging mit steifen Schritten zwischen den abgedeckten Blumenkübeln hindurch zu Zelerita. Fidea und Mussel zogen sich augenblicklich in eine nicht ganz so indiskrete Entfernung zurück, um uns zu beobachten.
Ich verneigte mich nach den Regeln der Etikette. »Lady Zelerita, ich möchte Euch nochmals für das Schriftstück danken, das Ihr mir gesandt habt«, sagte ich unbeholfen. Mein Herz schlug heftig. Das ihre wahrscheinlich auch, nur aus einem völlig anderen Grund.
Sie lächelte mich durch den Regen hindurch an. »Es hat mir Freude gemacht, und eine Freude war es auch, Eure Antwort zu erhalten. Mein Vater hat mir alles erklärt, als ich nicht verstehen konnte, weshalb Ihr so gering von Euch selbst geschrieben habt. Er sagte: ›Der Mann, der sich selbst lobt, weiß, dass es sonst niemand tun wird.‹ Dann erzählte er mir, es gäbe keinen besseren Weg, das Meer kennenzulernen als am Ruder eines Schiffes, und dass in jüngeren Jahren die Axt auch seine bevorzugte Waffe gewesen wäre. Er hat meiner Schwester und mir für nächstes Jahr ein eigenes Boot versprochen, mit dem wir an schönen Tagen hinausfahren können …« Sie stockte plötzlich. »Ich schwatze zu viel, nicht wahr?«
»Ganz und gar nicht, meine Herrin«, versicherte ich ihr hastig. Mir war nur lieb, dass sie das Reden besorgte.
»Meine Herrin«, wiederholte sie versonnen und wurde so feuerrot, als hätte ich sie hier und jetzt geküsst.
Ich wandte den Blick ab, nur um Fideas weit aufgerissene Augen auf uns gerichtet zu sehen und ihren Mund, der zu einem genauso entzückten wie schockierten O geöffnet war. Als ich mir vorstellte, wie sie sich vorstellte, was ich zu ihrer
Weitere Kostenlose Bücher