Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
dass sie nicht einmal ihre Toten mitgenommen hatten.
»Sie trugen zwar keinen Sieg davon, aber sie haben uns sehr geschadet. Es waren auf unserer Seite sieben Männer und neun Pferde getötet worden. Ganz zu schweigen von den Vorräten auf dem Rücken der beiden verschwundenen Packtiere. Zwei von uns waren schwer verwundet, drei andere leicht. Prinz Veritas beschloss, die Verwundeten, darunter mich, nach Bocksburg zurückzuschicken. Zwei unverletzte Männer sollten uns begleiten. Er selbst wollte seine Reise zunächst bis Jhaampe im Bergreich fortsetzen, wo dann die Soldaten zurückbleiben sollten, während er sich von dort aus auf die Suche nach den Uralten machte. Keen war der Anführer von uns, die wir umkehrten. Ihm vertraute Veritas etliche Schriftstücke an. Was sie enthielten, weiß ich nicht. Keen und alle anderen wurden vor fünf Tagen getötet. Kurz vor unseren Heimatgrenzen gerieten wir dann während unserem Ritt am Ufer des Bocksflusses entlang in einen Hinterhalt. Es waren Bogenschützen. Und es ging sehr … schnell. Vier von uns erwischte es gleich. Mein Pferd wurde von einem Pfeil in die Flanke getroffen. Rötel ist ein junges Tier, er geriet in Panik und sprang von der steilen Böschung in den Fluss. Das Wasser war tief, die Strömung stark. Ich hielt mich an Rötel fest, aber wir wurden beide fortgerissen. Ich hörte, wie Keen den anderen zurief, sie sollten wegreiten und versuchen, sich nach Bocksburg durchzuschlagen. Keiner von ihnen hat es geschafft. Rötel und ich konnten uns an einer seichten Stelle zurück ans Ufer retten, worauf ich noch einmal zurückgeritten bin. Ich habe die Leichen gefunden. Die Papiere, die Keen bei sich hatte, sind verschwunden.«
Es war die nüchterne Schilderung der Ereignisse, wie sie sich zugetragen hatten. Burrich erwähnte mit keiner Silbe, was es für ihn bedeutet haben musste, Veritas nicht weiter begleiten zu dürfen, oder was er dabei empfand, der einzige Überlebende der Rückkehrer zu sein. Wahrscheinlich würde er sich an diesem Abend sinnlos betrinken, und ich fragte mich, ob er dabei vielleicht Gesellschaft gebrauchen konnte. Vorläufig aber stand er schweigend da und wartete auf ein Wort seines Königs. Aber es folgte nur ein lang anhaltendes Schweigen. »Majestät?«, fragte er respektvoll.
König Listenreich wälzte sich in seinem Bettzeug schwerfällig hin und her. »Ich fühle mich an die Tage meiner Jugend erinnert«, sagte er schließlich heiser. »Einst konnte ich im Sattel sitzen und ein Schwert halten. Wenn ein Mann das verliert … nun, wenn ihm das nicht mehr vergönnt ist, dann hat er so gut wie alles verloren. Aber dein Pferd hat überlebt?«
Burrich runzelte die Stirn. »Ich habe für das Tier getan, was ich konnte, Majestät. Es wird keinen dauerhaften Schaden davontragen.«
»Nun, wenigstens das. Wenigstens das.« König Listenreich verstummte. Eine Zeitlang lauschten wir wieder nur seinen schweren Atemzügen. »Geh jetzt und ruh dich aus, Mann«, sagte er schließlich rau. »Du siehst furchtbar aus.« Er verstummte erneut, um zweimal langsam ein- und auszuatmen. »Ich werde dich später wieder rufen lassen. Wenn du dich erholt hast. Ich bin sicher, es gibt noch Fragen …« Seine Stimme verlor sich, und wieder schien er vollauf davon in Anspruch genommen zu sein, einfach nur verzweifelt Luft zu holen. Er konzentrierte sich so sehr und mit aller Kraft auf seine Atmung, wie es nur ein Mensch tut, dessen Schmerzen ins Unermessliche reichen. Ich dachte daran, wie ich mich selbst in der vergangenen Nacht gefühlt hatte. Dann stellte ich mir vor, wie ich an seiner Stelle mit solchen Schmerzen Burrichs bitteren Bericht hätte anhören müssen, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Der Narr beugte sich über den König und sah ihm forschend ins Gesicht. Dann schaute er uns an und schüttelte leicht den Kopf.
»Komm jetzt«, sagte ich leise zu Burrich. »Der König hat dir einen Befehl gegeben.«
Als wir hinausgingen, schien er sich noch schwerer auf mich zu stützen, als wäre seine Kraft nun endgültig aufgebraucht.
»Es schien ihn überhaupt nicht zu berühren«, sagte Burrich vorsichtig, als wir uns mühselig den Korridor entlangbewegten.
»Doch. Glaub mir. Es Berührt ihn tief.« Wir hatten die Treppe erreicht. Er zögerte. Es ging noch eine Treppe hinunter, dann durch die Halle, die Küche, über den Hof, in den Stall. Dann schließlich noch die Stiege hinauf zu Burrichs Kammer. Es gab keinen einfacheren Weg.
»Ich bringe dich in
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