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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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langen Wendeltreppe, öffnete die Tür zum Turmgemach und trat nach alter Gewohnheit auf Zehenspitzen ein. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, Veritas oder sonst jemanden dort anzutreffen. Im Winter fungierten nicht die Türme, sondern die Stürme als unsere Wächter und schützten die Küste vor der Heimsuchung durch Piraten. Zu meiner Überraschung waren die Fenster geöffnet und wegen der plötzlichen Helligkeit musste ich blinzeln. Veritas hob sich als schwarze Silhouette von dem sturmgrauen Himmel ab. Er drehte sich nicht um. »Schließ die Tür«, sagte er ruhig. »Wegen des Luftstroms von der Treppe her ist es hier oben zugig wie in einem Kaminschlot.«
    Ich gehorchte und atmete tief den Geruch des Meeres ein, den der Wind herantrug. »Ich hatte nicht erwartet, Euch hier zu finden.«
    Sein Blick suchte weiter den Horizont ab. »Nein? Und was hat dich dann dazu bewogen, herzukommen?« Seine Stimme klang ein wenig belustigt.
    Ja, weshalb? »Ich weiß nicht genau. Ich war auf dem Weg in mein Zimmer …« Meine Stimme stockte, als ich mich zu erinnern versuchte, was mich hergeführt hatte.
    »Ich habe dich mit der Gabe gerufen«, erklärte Veritas nüchtern.
    »Aber ich habe nichts gespürt.«
    »Das lag auch nicht in meiner Absicht. Es verhält sich so, wie ich dir seinerzeit erklärt habe. Die Gabe kann auch als leises Flüstern an das Ohr eines Menschen dringen, es muss kein lauter Befehl sein.«
    Langsam drehte er sich zu mir herum, und mein Herz hüpfte vor Freude über die Veränderung, die ich an dem Mann bemerkte. Als ich zur Erntezeit Bocksburg verlassen hatte, war er nur mehr ein Schatten seiner selbst gewesen, aufgezehrt von seinen Pflichten und der Verantwortung. Das schwarze Haar war immer noch mit Grau durch mischt, doch seine untersetzte Gestalt hatte wieder Muskeln angesetzt, und seine dunklen Augen funkelten. Ja, jeder Zoll ein König.
    »Die Ehe scheint Euch zu bekommen, Hoheit«, entfuhr es mir ungewollt.
    Er stutzte. »In mancher Hinsicht.« Eine knabenhafte Röte stieg ihm in die Wangen, rasch wandte er sich wieder dem Fenster zu. »Komm her und sieh dir meine Schiffe an«, befahl er.
    Nun war ich verdutzt. Ich trat neben ihn und schaute auf den Hafen, dann aufs Wasser hinaus. »Wo?«, fragte ich einfältig. Er umfasste meine Schultern und drehte mich herum, bis mein Blick auf die Werft fiel, auf einen langgestreckten und aus geschälten Kiefern neu erbauten Schuppen. Männer gingen ein und aus, Schlote und Schmiedeessen qualmten. Im Schnee lagen schwarz und mächtig einige der Stämme, die in Kettrickens Mitgift gewesen waren.
    »Manchmal, wenn ich an einem Wintermorgen hier oben stehe, blicke ich über das Meer und glaube schon fast, die Roten Schiffe zu sehen. Ich weiß, sie werden kommen. Doch manchmal sehe ich vor Augen auch schon die Schiffe, die wir haben werden, um ihnen die Stirn zu bieten. In diesem Frühling sollen sie ihre anvisierte Beute nicht mehr so schlecht gerüstet finden, und bis zum nächsten Winter werde ich sie lehren, was es heißt, den Wolf vor der eigenen Tür zu haben.«
    Er sprach mit einer grimmigen Befriedigung, und hätte ich nicht ebenso empfunden, wäre ich davon erschreckt gewesen. Ich fühlte, wie mein Grinsen das seine widerspiegelte, als unsere Blicke sich trafen.
    Dann wurde er ernst. »Du siehst furchtbar aus«, bemerkte er. »So schlimm wie deine Kleider. Gehen wir irgendwohin, wo es wärmer ist, und besorgen dir einen heißen Wein und einen Bissen zu essen.«
    »Ich habe gegessen«, erklärte ich, »und mir geht es viel besser als vor kurzem noch, danke.«
    »Sei nicht so empfindlich«, ermahnte er mich. »Und erzähl mir nicht, was ich schon weiß. Auch an lügen solltest du mich nicht. Die lange Treppe hat dich Kraft gekostet, und du zitterst innerlich.«
    »Ihr macht von der Gabe Gebrauch«, warf ich ihm vor, und er nickte.
    »Ich war mir schon seit einigen Tagen deines Kommens bewusst. Ich habe mehrmals versucht, dich mit der Gabe zu erreichen, doch gelang es mir nicht, dich auf mich aufmerksam zu machen. So gefiel es mir erst nicht, dass ihr die Straße verlassen habt, aber dann musste ich Burrich Recht geben. Ich bin froh, dass er dich so gut beschützt hat, nicht allein auf der Heimreise, sondern auch während der unglückseligen Vorfälle in Jhaampe. Nun weiß ich nicht recht, wie ich es ihm vergelten soll. Es müsste eine unauffällige Anerkennung sein, eine öffentliche Ehrung kommt in Anbetracht der Umstände nicht in Frage. Hast du

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