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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Laune heraus oder einfach, weil er glaubte, damit durchzukommen. Ja, er verließ Bocksburg, denn er legte keinen Wert darauf. Doch wenn er den Eindruck haben musste, dass ich es haben wollte, würde er mit allen Mitteln dafür sorgen, dass ich es nicht bekam. Ich sollte hier wie ein streunender Köter ein jämmerliches Dasein fristen oder irgendwann den Korsaren zum Opfer fallen, nicht aber aus den Trümmern, die er hinterlassen hatte, mich zu einer Position der Macht aufschwingen. Wenn ich nicht sehr auf der Hut war, lieferten mich meine neuen Freunde ans Messer. Denn Edel war zu allem fähig.
    Zweimal versuchte ich mich davonzustehlen. Beide Male wurde ich von jemandem abgefangen, der kurz unter vier Augen mit mir sprechen wollte. Dann schützte ich schließlich Kopfschmerzen vor und gab bekannt, dass ich zu Bett gehen wollte, aber auch das bewahrte mich nicht davor, auf dem Weg zur Tür noch von mindestens zwölf Leuten angehalten zu werden, die das Bedürfnis verspürten, sich von mir zu verabschieden. Gerade als ich dachte, es sei vollbracht, berührte Zelerita schüchtern meine Hand und wünschte mir mit so trauriger Stimme gute Nacht, dass ich wusste, ich hatte ihr wehgetan. Diese Erkenntnis erschütterte mich mehr als alles andere an diesem Abend. Ich dankte ihr, und dann ließ ich mich unverzeihlicherweise dazu hin reißen, ihr die Fingerspitzen zu küssen. Das Leuchten, das sich über ihr Gesicht legte, erfüllte mich mit Scham, und ich ergriff die Flucht. Als ich die Treppe hinaufging, fragte ich mich, wie Veritas dieses Leben ausgehalten hatte - oder mein Vater. Falls ich je davon geträumt hatte, ein echter Prinz zu sein, statt ein Bastard, begrub ich den Traum in dieser Nacht. Es war mir ein entschieden zu öffentliches Dasein. Ernüchtert begriff ich, dass es für mich auf diese Art weitergehen würde, bis Veritas zurückkehrte. Der verführerische Glanz der Macht würde mich fortan umgeben, und allzu viele würden sich davon blenden lassen.
    In meinem Zimmer schlüpfte ich mit großer Erleichterung wieder in vernünftige Kleider. Als ich mein Hemd zurechtzog, fühlte ich daran eine kleine Auswölbung. Es war das für Wallace zurechtgemachte Briefchen mit Gift, das ich immer noch in der Ärmelmanschette eingenäht trug. Vielleicht, überlegte ich bitter, brachte es mir Glück. Ich verließ mein Zimmer und tat dann das Dümmste, was ich tun konnte; ich stieg zu Mollys Kammer hinauf. Der Flur war leer und in den Wandhaltern brannten zwei Fackeln. Ich klopfte leise an. Nichts. Ich hob den Sperrhaken. Die Tür war nicht verschlossen und schwang bei meiner Berührung nach innen, wo Dunkelheit und Leere herrschte. In dem kleinen Kamin war kein Feuer. Ich fand im Gang einen Kerzenstumpf und entzündete ihn an einer der Fackeln. Dann ging ich zurück in die Kammer und schloss die Tür hinter mir. Da stand ich nun, während die Katastrophe endlich in mein Bewusstsein drang. Was ich vorfand, entsprach ganz und gar Molly: Das abgezogene Bett, der ausgefegte Kamin, aber daneben ein kleiner Stapel Holz für den nächsten Bewohner - Kleinigkeiten, die mir verrieten, dass sie große Sorgfalt darauf verwendet hatte, aus diesem Raum die Erinnerung an sie auszulöschen. Nicht ein Band, nicht eine Kerze, nicht einmal ein Restchen Docht erinnerten an die Frau, die hier das Leben einer Dienstmagd geführt hatte. Der Wasserkrug stand umgedreht im Waschbecken, damit kein Staub hineinfiel. Ich setzte mich auf ihren Stuhl vor dem kalten Kamin, klappte ihre Truhe auf und spähte hinein. Doch es waren nicht ihr Stuhl, ihr Kamin, ihre Truhe, es waren nur Gegenstände, die sie während ihres kurzen Aufenthalts benutzt hatte.
    Molly war fort.
    Sie kam nicht wieder.
    Ich hatte meine Augen vor der Wahrheit verschlossen, indem ich mich weigerte, an sie zu denken. Doch dieses leere Zimmer öffnete mir die Augen. Ich schaute in mich hinein und verabscheute, was ich dort sah. Hätte ich nur den Kuss zurückholen können, den ich auf Zeleritas Fingerspitzen gedrückt hatte! Sollte er Balsam für den verwundeten Stolz eines jungen Mädchens sein, oder war es kalte Berechnung, um sie und ihren Vater an mich zu binden? Ich wusste nicht mehr, was mich dazu bewogen hatte. Weder das eine noch das andere war zu rechtfertigen, beides war falsch, wenn ich nicht gelogen hatte, als ich Molly schwor, sie für immer zu lieben. Diese eine Geste genügte, um zu beweisen, dass ich all der Dinge schuldig war, die sie mir vorgeworfen hatte. Die Weitseher

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