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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ersuchen widerstanden. Groß und sehr aufrecht stand sie da und trug nur ein schlichtes purpurnes Gewand, das über ihrem sich wölbenden Bauch gegürtet war. Ein schmuckloser Goldreif saß auf dem zum Zeichen der Trauer kurz geschnittenen Haar. Wäre nicht dieses Metallband an ihrer Stirn gewesen, hätte man sie für eine Dienstmagd halten können, die hinter dem König stand, um ihm aufzuwarten. Ich wusste, sie betrachtete sich nach der Sitte ihrer Heimat immer noch als Opfer, nicht als Königin. Sie begriff nicht, dass die Strenge ihrer Erscheinung sie in den Augen des Hofstaats wie eine Fremde aus einem barbarischen Land aussehen ließ.
    Der Narr durfte natürlich nicht fehlen, er war in ein abgetragenes schwarz-weißes Gewand seiner Zunft gekleidet und wie immer sah man Rätzel an der Spitze seines Zepters. Er hatte auch sein Gesicht mit schwarzen und weißen Streifen bemalt, und ich fragte mich, ob er damit seine Beulen verstecken wollte, oder weil es einfach zu seinem sonstigen Aufzug passte. Er war einige Zeit vor Edel erschienen und hatte mit offensichtlichem Genuss dessen Auftritt vorweggenommen, indem er durch die Gasse in der Menschenmenge schritt, jovial mit seinem Rattenzepter wedelte und zu guter Letzt vor den Versammelten einen tiefen Kratzfuß vollführte, um sich anschließend hochzufrieden neben dem Stuhl des Königs niederzulassen. Einige Wachposten hatten Anstalten gemacht, ihn aufzuhalten, wurden aber von den Gästen behindert, die über den Spaßmacher grinsten und die Hälse nach ihm reckten. Als der König sich dann niederbeugte und die dünnen Locken des Narren zauste, ließ man ihn wohl oder übel sitzen, wo er war. Ein Teil der Anwesenden amüsierte sich über das Spektakel, andere runzelten die Stirn, je nachdem, wie hell die Sonne von Edels Gunst den einen oder den anderen beschien. Ich für meinen Teil befürchtete, es würde der letzte Streich des Narren gewesen sein.
    Schon den ganzen Tag hatte die Atmosphäre in der Burg an einen brodelnden Topf erinnert, der kurz vor dem Überkochen stand. Meine Einschätzung von Herzog Brawndy als einem verschwiegenen Mann war falsch gewesen. Viel zu viel Barone und Grafen nickten mir plötzlich zu oder versuchten, mit mir Blicke geheimen Einverständnisses zu tauschen. Edels Spitzeln konnte diese plötzliche Vertrautheit nicht entgehen, deshalb hatte ich mich in meinem Zimmer aufgehalten, beziehungsweise am frühen Nachmittag in Veritas’ Turm, wo ich mich vergeblich bemühte, ihn mit der Gabe zu er reichen. Ich hatte mich für diesen Ort entschieden, weil ich hoffte, die Umgebung würde mir helfen, die Erinnerung an ihn heraufzubeschwören, doch weit gefehlt. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich schleichende Schritte vor der Tür erwartete oder nach Zeichen von Justins oder Serenes Gegenwart in meinem Kopf sinnte.
    Nachdem ich meine Versuche, Veritas zu er reichen, aufgegeben hatte, grübelte ich lange über das vertrackte Problem nach, wie ich die Wachen aus König Listenreichs Gemächern locken sollte. Draußen hörte ich das Donnern der Brandung und das Heulen des Windes, und als ich einmal kurz das Fenster öffnete, wehte mich ein heftiger Windstoß fast durch das halbe Zimmer. In der Burg war man allgemein der Ansicht, es sei ein schöner Tag für die Zeremonie; der tobende Sturm hielt die Korsaren dort fest, wo sie Zu flucht gesucht hatten, und bewahrte uns für die nächste Zeit vor neuen Überfällen. Ich sah zu, wie der Graupelregen den Schnee mit einer Kruste und die Straßen mit einer hauchdünnen Eisschicht überzog. Ich stellte mir Burrich vor, wie er mit Kettricken und dem König in seiner Sänfte in Sturm und Nässe nachts unterwegs sein würde. Wahrlich keine Aufgabe, um die ich ihn beneidete.
    Der Boden für ein dramatisches, mysteriöses Ereignis wie das plötzliche Verschwinden des Königs war gut vorbereitet. Nach den Geschichten vom Narbenmann und der Schlange vor dem Kamin schien nun die Küche vom Unheil betroffen zu sein. Der Brotteig war nicht aufgegangen und die Milch in den Bottichen sauer geworden, bevor man auch nur den Rahm hatte abschöpfen können. Meine arme Freundin Sarah war erschüttert bis ins Mark und erklärte, nie zuvor hätte sich in ihrer Küche etwas derartiges zugetragen. Nicht einmal den Schweinen wollte man die verdorbene Milch hinschütten, so fest glaubten alle, sie sei verflucht. Das verdorbene Brot bedeutete die doppelte Arbeit für das Küchengesinde, das ohnehin reichlich damit zu tun

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