Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
unter dem Gewicht gegen die Wand.
Dankbar drückte ich das Kleidungsstück, das noch seine Körperwärme bewahrte, an mich. »Wasser. Brot«, antwortete ich kurz und fügte hinzu. »Ich weiß diese Gaben zu schätzen.«
»Wir müssen uns alle bescheiden!«, bemerkte Edel scharf. »Die Zeiten sind hart!« So als ob jene, zu denen er es sagte, das nicht besser gewusst hätten.
Brawndy musterte mich noch einen Moment länger. Ich sagte nichts. Endlich wandte er sich mit gerunzelten Brauen an Edel. »Sind die Zeiten so hart, um ihm nicht wenigstens eine Unterlage aus Stroh zu geben, damit er nicht auf der nackten Steinbank schlafen muss?«
Edel erwiderte voller Kälte seinen Blick, aber Brawndy ließ sich nicht einschüchtern. »Wir brauchen Beweise für seine Schuld, Kronprinz Edel, bevor wir seiner Hinrichtung zustimmen. In der Zwischenzeit erwarten wir, dass Ihr ihn am Leben haltet.«
»Gebt ihm wenigstens Marschverpflegung«, meinte Kelvar. »Niemand kann behaupten, ihr hättet ihn damit verwöhnt, und wir haben einen Mann, der fähig ist, entweder auf eigenen Füßen zum Galgen zu gehen oder aber für uns Bocksburg zu befehligen.«
Edel verschränkte die Arme vor der Brust und gab keine Antwort. Seine Haltung sagte mir, dass er es bei Wasser und trocken Brot belassen würde. Ich glaube außerdem, dass er mir liebend gerne Brawndys Umhang weggenommen hätte, wenn ihm nicht klar gewesen wäre, wie ich darum kämpfen würde. Mit einer schroffen Kopfbewegung gab Edel dem Wärter ein Zeichen, die Tür wieder zu schließen. Als sie mit dumpfem Schlag zufiel, warf ich mich dagegen, krallte die Hände um die Gitterstäbe und starrte meinen Richtern hinterher. Ich dachte daran, ihnen hinterherzurufen und ihnen zu sagen, dass für Edel mein Tod beschlossene Sache war. Doch ich ließ es sein. Sie hätten mir nicht geglaubt. Noch immer unterschätzten sie Edel und erkannten nicht seinen wahren Charakter. Hätten sie ihn so gut gekannt wie ich, hätten sie gewusst, dass kein Versprechen ihn zwingen konnte, sich an ihre Abmachung zu halten. Er würde mich töten. Die Versuchung war zu groß, als dass er ihr hätte widerstehen können.
Ich kehrte der Tür den Rücken, ging mit hölzernen Schritten zurück zu meiner Steinbank und setzte mich hin. Unwillkürlich legte ich mir Brawndys Umhang über die Schultern; gegen die innere Kälte, die mich erfüllte, vermochte er mich jedoch nicht zu wärmen. Wie die steigende Flut in eine Meeresgrotte strömt, stieg die Todesgewissheit in mir auf. Wieder hatte ich das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Ich wehrte mich dagegen und stemmte mich sogar mit der Gabe kraftlos gegen meine eigenen Gedanken, die sich endlos damit beschäftigten wollten, welche Todesart Edel für mich ausersinnen würde. Der Phantasie waren kaum Grenzen gesetzt. Ich rechnete mit seinem Versuch, mir ein Geständnis zu entreißen, und mit etwas Zeit würde es ihm Sicher auch gelingen. Die Angst legte sich mir wie ein eiserner Ring um die Brust. Mit einer großen Willensanstrengung zwang ich mich, von dem Abgrund zurückzutreten, einen Schutzwall zwischen mir und der Erkenntnis zu errichten, dass mein Tod ein qualvoller sein würde.
Es war ein makaberer Trost zu wissen, dass ich ein Mittel besaß, ihm den Spaß zu verderben. Zwischen den zwei Stoß lagen meiner blutgetränkten Ärmelmanschette befand sich immer noch das eingenähte Täschchen mit dem Gift, das ich in einer ebenfalls dunklen Stunde für Wallace zubereitet hatte. Wäre es ein weniger drastisches Toxikum gewesen, hätte ich nicht gezögert, diesen Ausweg zu wählen, aber ich hatte bei Wallace weniger daran gedacht, ihn sanft einzuschläfern, sondern ihm heftige Krämpfe, blutigen Ausfluss und starkes Fieber zu bescheren. Später vielleicht, dachte ich, könnte ich immer noch darauf zurückgreifen, wenn selbst ein solches Ende dem vorzuziehen war, was Edel zu bieten hatte. Welch beglückende Aussicht. In Brawndys Umhang gewickelt, legte ich mich auf mein steinernes Bett. Hoffentlich vermisste er ihn nicht zu schmerzlich. Dieses Geschenk war vermutlich die letzte Freundlichkeit, die mir in diesem Leben jemand erwies. Ich schlief nicht ein, sondern floh in Gedanken von hier fort und tauchte bewusst in Nachtauges Welt.
Irgendwann erwachte ich aus einem Menschentraum, in dem Chade mich rügte, weil ich unachtsam gewesen war. Ich verkroch mich tiefer in den schützenden Kokon des Umhangs. Fackelschein schimmerte in meine Zelle, und ich wusste nicht, ob es
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