Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Listenreich«, sagte ich trocken.
Er hob fragend den Blick.
»Nach Philias Worten kann ein Mann nicht Vasall eines Königs sein und gleichzeitig von ganzem Herzen eine Frau lieben. ›Du kannst einem Pferd nicht zwei Sättel auflegen‹, hat sie mir gesagt. Das von einer Frau, die Gemahlin eines Thronfolgers war und zufrieden mit der Zeit, die er für sie erübrigen konnte, ob viel oder wenig.« Ich reichte Burrich das ausgebesserte Halfter.
Er war im Begriff gewesen, den Becher zu heben, jetzt stellte er ihn so hart auf den Tisch, dass der In halt über den Rand spritzte. »Das hat sie zu dir gesagt?«, fragte er heiser und mit einem bohrenden Blick.
Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sagte, es wäre nicht gerecht, von Molly zu erwarten, dass sie sich mit den Brosamen an Zeit begnügt, die der König mir für mein eigenes Leben zugesteht.«
Burrich lehnte sich zurück. Eine Reihe widerstreitender Gefühle spiegelte sich in seinem Gesicht. Er schaute mit seitwärts gewandtem Kopf ins Feuer, dann wieder zu mir. Einen Moment lang sah es aus, als wollte er etwas sagen, dann aber richtete er sich auf, stürzte den Inhalt seines Bechers hinunter und schob den Stuhl zurück. »Es ist zu still hier oben. Lass uns nach Burgstadt hinuntergehen. Einverstanden?«
Am nächsten Tag stand ich auf und machte mich trotz meines Brummschädels daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, nämlich, mich nicht wie ein liebeskranker Jüngling aufzuführen. Das Ungestüm und die Fahrlässigkeit eines Jungen waren der Grund, dass ich sie verloren hatte, mit der Selbstdisziplin eines Mannes wollte ich sie nun zurückgewinnen.
Jeden Tag erhob ich mich in aller Frühe, sogar noch bevor der erste Küchenjunge sich den Schlaf aus den Augen rieb. In der Abgeschiedenheit meines Zimmers absolvierte ich einige Dehnübungen und anschließend ein striktes Programm im Schattenfechten mit einem alten Stab. Ich gönnte mir keine Pause, bis ich schweißüberströmt und benommen war. Dann ging ich hinunter, um ein Dampfbad zu nehmen. Langsam, ganz langsam, gewann ich so meine frühere Ausdauer zurück. Ich nahm an Gewicht zu, bekam wieder Muskeln, und allmählich passten auch die neuen Kleider, die Mistress Hurtig mir aufgezwungen hatte. Nach wie vor zitterte ich manchmal am ganzen Körper, aber schwere Anfälle waren nur noch selten, und jedes Mal gelang es mir, in mein Zimmer zu flüchten, bevor die Symptome allzu deutlich zutage traten. Philia sagte mir, ich sähe frischer aus, während Lacey Freude daran hatte, mich ›ordentlich herauszufüttern‹. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder ganz ich selbst.
Ich aß jeden Morgen mit den Soldaten, wo die Mengen, die man vertilgte, wichtiger waren als Manieren. Nach dem Frühstück stattete ich dem Stall einen Besuch ab, um Rußflocke bei einem Ausritt durch den Schnee Bewegung zu verschaffen. Anschließend war es eine besondere Freude, sie eigenhändig zu versorgen. Vor unseren unseligen Erlebnissen im Bergreich hatten Burrich und ich uns wegen meines Gebrauchs der alten Macht überworfen, ich durfte deswegen damals die Ställe nicht mehr betreten. Daher bedeutete es für mich nun eine wahre Genugtuung, mein Pferd trockenzureiben und ihm selbst die Krippe zu füllen. Ich genoss das vertraute Tun und Treiben, den warmen Tiergeruch, dazu die Lästereien und Klatschgeschichten, die in ihrer Deftigkeit so nur die Stallburschen zum Besten geben konnten. Wenn es sich einrichten ließ, nahmen Flink oder Burrich sich ein paar Minuten Zeit, um stehenzubleiben und sich mit mir zu unterhalten; an anderen, arbeitsreichen Tagen empfand ich die bittersüße Befriedigung, sie in der Diskussion über den an haltenden Husten eines Zuchthengstes nur zu beobachten, oder wie sie den liebesmüden Eber behandelten, den ein Bauer zur Burg hinaufgebracht hatte. Bei solchen Gelegenheiten blieb ich - ohne dass sie es böse meinten - aus ihrem Kreis ausgeschlossen. Es war gut so. Mein Dasein spielte sich jetzt auf einer anderen Ebene ab. Ich konnte nicht erwarten, dass die Tür zu meinem früheren Leben ewig für mich offenstehen würde.
Dennoch packte mich jeden Tag das Gewissen, wenn ich zu der verfallenen Kate hinter den Getreidespeichern schlich. Ich ließ immer größte Vorsicht walten. Mein neuer Friede mit Burrich war noch nicht von so langer Dauer, dass ich ihn einfach für gegeben nahm. Ich erinnerte mich nur zu gut, wie schmerzlich es gewesen war, seine Freundschaft zu verlieren. Sollte Burrich jemals auch
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