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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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über blieb sie allein in Bocksburg, während die übrigen Mitglieder des Zirkels in Türmen und Burgen an unserer langen Küste verstreut waren und durch sie dem König ihre Berichte sandten. Für den Winter fand sich die gesamte Gruppe wieder in Bocksburg zusammen, um ihre Bindung untereinander zu erneuern und zu festigen. Weil ein Gabenmeister fehlte, war sie mehr oder weniger an Galens Stelle getreten und hatte sich - auch was Galens erbitterten Hass auf mich betraf - als würdige Nachfolgerin erwiesen. Sie erinnerte mich schmerzhaft deutlich an vergangenes Leid und flößte mir ein Unbehagen ein, das stärker war als alle Vernunft. Ich war ihr seit meiner Rückkehr aus dem Weg gegangen, doch jetzt fühlte ich mich von ihrem Blick wie an Ort und Stelle gebannt.
    Der Treppenaufgang bot Raum genug, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen konnten. Außer eine der beiden blieb absichtlich genau in der Mitte stehen. Obwohl Serene zu mir aufsehen musste, kam ich mir vor wie der Unterlegene. Sie hatte sich stark verändert, seit wir beide Galens Schüler gewesen waren. Die gesamte äußere Erscheinung spiegelte ihre neue Stellung wider. Ihr mitternachtsblaues Gewand war reich bestickt; das lange, tiefschwarze Haar trug sie im Nacken zusammengefasst und mit glänzendem Draht durchflochten, auf welchem Ornamente aus Elfenbein aufgefädelt waren. Silber schmückte ihren Hals und ihre Finger. Doch ihre Weiblichkeit war unter Galens vorgelebter Askese dahingeschmolzen, ihr Gesicht wirkte ausgezehrt, ihre Hände glichen Vogelkrallen. Wie er, so verströmte auch sie eine Aura von fanatischer Selbstgerechtigkeit. Dies war nun das erste Mal seit seinem Tod, dass sie die Konfrontation mit mir suchte. Was konnte sie von mir wollen?
    »Bastard«, sagte sie und zuckte nicht mit der Wimper. Sie meinte es nicht als Gruß, es war ihr Name für mich. Ich fragte mich, ob dieses Wort je seinen Stachel für mich verlieren würde.
    »So hast du also in den Bergen nicht den Tod gefunden?«
    »Nein.«
    Ein kurzes Schweigen, ohne dass sie Anstalten gemacht hätte, mir den Weg freizugeben. Endlich sagte sie dann sehr leise: »Ich weiß, was du getan hast. Ich weiß, was du bist.«
    Innerlich zitterte ich wie ein Kaninchen vor der Schlange. Ich redete mir selbst ein, dass sie vermutlich die gesamte ihr zur Verfügung stehende Gabe aufwenden musste, um mir diese Angst einzuflößen. Ich sagte mir, das Gefühl käme nicht aus mir selbst, nein, sie gab es mir ein. Dennoch kostete es mich eine beträchtliche Willensanstrengung, ihr mit einer Antwort zu begegnen.
    »Auch ich weiß, was ich bin. Ein Mann des Königs.«
    »Du bist kein Mann und auch kein Mensch.« Sie lächelte mich an. »Eines Tages werden alle es wissen.«
    Furcht bleibt Furcht, gleich, woher sie kommt. Ich stand da und war zu keiner weiteren Erwiderung fähig. Schließlich trat sie zur Seite, um mich vorbeizulassen, was ich mir als Sieg anrechnete, obwohl sie, genau besehen, kaum etwas anderes tun konnte. Ich ging und machte mich da ran, meine Vorbereitungen für die Reise nach Bearns zu treffen, und ich war plötzlich ganz froh über die Gelegenheit, der Burg für ein paar Tage den Rücken zu kehren.
     
    Ich habe keine guten Erinnerungen an jenen Auftrag. Es traf sich, dass sich Virago ebenfalls auf Burg Sturm aufhielt, während ich dort meine Schreiberarbeit verrichtete. Listenreich hatte nicht zu viel versprochen: sie war eine ansehnliche Frau, die sich bewegte wie eine kleine Raubkatze und die von einer Aura aus Vitalität und Kraft umgeben war. Wenn sie einen Raum betrat, zog sie alle Blicke auf sich. Ihre Keuschheit wirkte für jeden Mann als Herausforderung. Selbst ich fühlte mich von ihr angezogen und haderte mit meinem Auftrag.
    Als wir das erste Mal alle gemeinsam zu Tisch saßen, hatte sie den Platz mir gegenüber eingenommen. Herzog Brawndy hatte mich mit vorbildlicher Gastfreundschaft empfangen und ließ sogar von seinem Koch mir zu Ehren ein bestimmtes, scharf gewürztes Fleischgericht zubereiten, das zu meinen Leibspeisen zählte. Seine Bibliothek stand zu meiner Verfügung, dazu die Dienste seines zweiten Schreibers. Seine jüngste Tochter, Zelerita, bezeigte mir schüchtern ihre Sympathie und überraschte mich mit ihrer unaufdringlichen Intelligenz. Während des Essens unterhielten wir uns über meine Kopierarbeit, als Virago plötzlich für alle hörbar zu ihrem Nebenmann bemerkte, in der guten alten Zeit wären Bastarde gleich nach der Geburt ersäuft worden.

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