Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
ich schon hellwach und angekleidet bei Tisch vor mir, ein General, der seinen Adjutanten erwartet. So kannte ich ihn, ein herrischer alter Mann, der streng mit sich selbst war - und ein Frühaufsteher. Aber diesmal empfingen mich in den Wohngemächern Trostlosigkeit und Stille. Deshalb wagte ich mich zur Tür seines Schlafgemachs und spähte durch den handbreiten Spalt.
In dem Raum herrschte noch Halbdunkel. Ein Diener klapperte mit Bechern und Tellern auf einem kleinen Tisch neben dem wuchtigen Baldachinbett. Er bedachte mich mit einem flüchtigen Blick, offenbar hielt er mich für einen Pagen. Es roch muffig wie in einem unbenutzten Zimmer oder als wäre lange nicht gelüftet worden. Ich wartete, um dem Diener Gelegenheit zu geben, den König von meiner Anwesenheit in Kenntnis zu setzen, jedoch machte er keinerlei solcher Anstalten, und schließlich trat ich unaufgefordert näher bis ans Bett.
»Majestät?«, fragte ich zaghaft. »Ich bin gekommen, wie Ihr gewünscht habt.«
Listenreich saß hinter den zur Seite gerafften Vorhängen in seinem Bett und war im Rücken mit Kissen abgestützt. Bei meinen Worten schlug er die Augen auf. »Wer … ah, Fitz. Setz dich, setz dich. Wallace, bring ihm einen Stuhl. Auch einen Teller und einen Becher.« Während der Diener sich abwandte, um der Aufforderung nachzukommen, meinte Listenreich: »Ich vermisse Cheffers. Er war so lange bei mir, dass man ihm nicht mehr eigens sagen musste, was er tun sollte.«
»Ich erinnere mich an ihn, Majestät. Was ist mit ihm?«
»Hat einen bösen Husten bekommen. Im Herbst fing es an und wurde nicht besser, bis er ganz ausgezehrt war und bei jedem Atemzug nur noch röchelte.«
Cheffers. Er war nicht mehr jung gewesen, aber auch noch nicht alt. Es überraschte mich, von seinem Tod zu hören. Ich wartete schweigend, bis Wallace den Stuhl und das Gedeck für mich gebracht hatte. Seinem missbilligenden Stirnrunzeln, als ich mich ohne Umstände hinsetzte, schenkte ich keine Beachtung. Er würde bald lernen, dass bei König Listenreich ein eigenes Protokoll galt. »Und Ihr, Majestät? Geht es Euch gut? Dies ist, soweit ich mich erinnere, das erste Mal, dass man Euch zu dieser Morgenstunde noch im Bett vorfindet.«
König Listenreich stieß einen ungehaltenen Laut aus. »Keine Krankheit, eine lästige Bagatelle. Nur ein Schwindelgefühl, eine Art Benommenheit, die mich überkommt, wenn ich mich zu schnell bewege. Jeden Morgen glaube ich, es ist vorbei, doch sobald ich mich erhebe, ist mir, als wäre diese Burg nicht tief im Fels verankert, sondern triebe wie ein Schiff auf stürmischer See. Also bleibe ich im Bett und esse und trinke ein wenig und erhebe mich dann langsam. Gegen Mittag fühle ich mich ganz gesund. Ich denke, es hat etwas mit der Winterkälte zu tun, auch wenn der Heiler meint, es könnte mit einer alten Schwertwunde zusammenhängen, die ich abbekam, als ich nicht viel älter war als du jetzt. Siehst du, ich trage die Narbe noch, obwohl der Vorfall schon Jahrzehnte zurückliegt und ich nie geglaubt hätte, dass mir die Verletzung noch einmal zu schaffen machen würde.«
Er beugte sich vor und hob mit zitternder Hand eine Strähne seines ergrauenden Haars von der linken Schläfe. Ich sah den Wulst der alten Narbe und nickte.
»Doch genug davon. Ich habe dich nicht zu mir gerufen, damit wir uns über meine Gesundheit unterhalten. Ich nehme an, du kennst den Grund?«
»Ihr erwartet einen vollständigen Bericht über die Ereignisse in Jhaampe?« Ich schaute mich nach dem Diener um und bemerkte dann, wie er sich dicht bei uns zu schaffen machte. Cheffers wäre hinausgegangen, damit sein Herr und ich ungestört reden konnten. Ich fragte mich, wie offen ich vor diesem neuen Mann sprechen durfte.
Doch Listenreich winkte ab. »Nichts mehr davon«, meinte er schwer. »Veritas ist des halb bei mir gewesen, und ich glaube nicht, dass du mir noch viel berichten könntest, was ich nicht bereits weiß oder vermute. Er und ich haben lange und ausführlich darüber gesprochen. Ich … bedaure … einige Dinge. Doch lassen wir Vergangenes vergangen sein und schauen in die Zukunft. Stimmst du mir zu?«
Worte drängten sich mir auf die Lippen und raubten mir fast den Atem. Edel, wollte ich zu ihm sagen, Euer Sohn, der versucht hat, mich zu ermorden, Euren Enkel. Habt Ihr auch mit ihm lange und ausführlich gesprochen? Und war das vor oder nachdem Ihr mich ihm ausgeliefert habt? Doch in aller Deutlichkeit, als hätten Chade oder Veritas mir
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