Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Ich konnte beruhigt gehen. »Schlaf gut«, hauchte ich.
Lautlos schnellte sie in die Höhe. Der Widerschein der Glut lief rot an der Klinge des Messers entlang, das sie gegen mich zückte. »Molly!«, rief ich, duckte mich und hob abwehrend den Arm.
Sie erstarrte, die andere Hand zur Faust geballt, und für den Bruchteil einer Sekunde herrschte vollkommene Stille und Bewegungslosigkeit. Dann zischte sie: »Neuer!«, und rammte mir die linke Faust in den Magen.
Als ich mich ächzend zusammenkrümmte, rollte sie blitzschnell vom Bett herunter. »Holzkopf! Du hast mich zu Tode erschreckt! Was fällt dir ein, an meinem Riegel herumzuhantieren und in meine Kammer geschlichen zu kommen! Ich sollte die Wachen rufen, damit sie dich hinauswerfen!«
»Nein«, flehte ich sie an, während sie bereits das Feuer schürte und an den Flammen eine Kerze entzündete. »Bitte. Ich gehe schon. Ich hatte nichts Böses im Sinn und wollte dich nicht beleidigen. Ich wollte mich nur vergewissern, dass dir nichts fehlt.«
»Dass mir nichts fehlt!« Selbst ihr Flüstern klang erbost. Ihr Haar war für die Nacht zu dicken Zöpfen geflochten, die mich an das kleine Mädchen erinnerten, das ich vor so vielen Jahren kennengelernt hatte. Doch vor mir stand kein kleines Mädchen mehr. Sie fing meinen Blick auf, warf sich einen Hausmantel über und knotete den Gürtel zu. »Ich bin so aufgeregt, dass ich die ganze Nacht kein Auge mehr zutun werde! Du hast getrunken, stimmt’s? Was willst du hier?«
Die Kerze wie eine Waffe vor sich haltend, kam sie auf mich zu. »Nein«, wies ich ihren Verdacht zurück, stellte mich aufrecht hin und zog mein Hemd glatt. »Glaub mir, ich bin nicht betrunken. Und wirklich, ich hatte keine unehrenhaften Absichten. Aber - heute Nacht ist etwas vorgefallen, und plötzlich hatte ich Angst, dir könnte etwas zugestoßen sein. Deshalb musste ich einfach kommen und sehen, ob es dir gutgeht. Doch weil ich wusste, Philia würde es nicht gutheißen, bin ich heimlich…«
»Neuer, du redest dummes Zeug«, unterbrach sie mich in eisigem Ton.
Sie hatte Recht. »Es tut mir leid«, sagte ich noch ein mal und sank auf die Bettkante.
»Mach es dir gar nicht erst gemütlich. Du wolltest gehen, wenn ich mich recht erinnere. Allein oder mit Hilfe der Wachen, du hast die Wahl.«
»Du brauchst die Wachen nicht zu rufen.« Ich stand hastig auf. »Ich sehe ja, es geht dir gut.«
»Selbstverständlich geht es mir gut«, sagte sie spitz. »Wes halb sollte es mir nicht gutgehen? Heute Nacht so gut wie gestern Nacht oder die dreißig Nächte davor. In keiner davon hast du dich bemüßigt gefühlt, herzukommen und dich nach meinem Wohlergehen zu erkundigen. Weshalb ausgerechnet jetzt?«
Ich holte tief Atem. »Weil manche Nächte gefährlicher sind als andere. Es geschehen Dinge, die mich veranlassen, darüber nachzudenken, was noch schlimmer sein könnte. Zu manchen Zeiten ist es nicht empfehlenswert, die Liebste eines Bastards zu sein.«
Ihr Mund wurde zu einem schmalen Strich, und ihre Stimme war ausdruckslos, als sie fragte: »Was bitte soll das heißen?«
Das Herz schlug mir bis zum Hals, aber ich war entschlossen, so aufrichtig zu sein wie möglich. »Ich kann dir nicht sagen, was geschehen ist. Nur dass ich Grund hatte zu glauben, du könntest in Gefahr sein. Du musst mir vertrauen …«
»Das meinte ich nicht. Was soll das heißen, Liebste eines Bastards? Wie kannst du es wagen, mich so zu nennen?« Aus ihren Augen schossen buchstäblich die Blitze.
Ich schwöre, dass ich die eisige Hand des Todes nach meinem Herzen greifen fühlte. »Es ist wahr, ich habe kein Recht dazu«, sagte ich stockend, »aber ich kann nichts für meine Gefühle. Und ob ich dich zu Recht meine Liebste nennen darf oder nicht, wird diejenigen, die mir übel wollen, nicht daran hindern, dir etwas anzutun, um mich zu treffen. Wie kann ich sagen, ich liebe dich so sehr, während ich mir eigentlich wünschen müsste, ich liebte dich nicht, oder könnte ich doch wenigstens aufhören zu zeigen, dass ich dich liebe, weil all meine Liebe dich in tödliche Gefahr bringt - und spräche trotzdem die Wahrheit?« Steif wandte ich mich zum Gehen.
»Und wie könnte ich sagen, ich wäre aus deinem Gerede klug geworden und spräche trotzdem die Wahrheit?«, wunderte Molly sich stirnrunzelnd.
Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton. Ich drehte mich langsam zu ihr herum. Einen Moment lang standen wir uns stumm gegenüber, dann brach sie in Gelächter aus, kam
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