Five Stars - Gefaehrliche Versuchung
würden. Ich hielt mir die Nase zu und tauchte ab in das gleißende Blau des Meeres, das ich erst eine halbe Stunde später verließ, als eine Gänsehaut mir zeigte, dass ich dabei war, auszukühlen. Rasch lief ich zum Chalet. Auf dem Tisch stand eine Glasvase, darin ein üppiger Strauß roter Rosen. Wo hatte er die bloß so schnell aufgetrieben, wo doch alles auf die Insel geflogen werden musste? Ich steckte meine Nase in das Blumenbündel. Im Gegensatz zu den meisten Rosen in Deutschland verströmten sie einen intensiven Duft, der mich schwindelig machte. An die Vase gelehnt stand ein Brief.
»Ich habe mir erlaubt, einen Termin für Dich in unserem SPA zu machen. 12:30 Uhr. Genieße den Tag! Daniel.«
Ich starrte auf die Karte mit der seltsam distanzierten Nachricht. Kein Gruß, kein »danke für die Nacht« oder gar ein »bis heute Abend«. Nur eine Einladung ins SPA, als wolle er sich damit für eine Dienstleistung meinerseits revanchieren. Am liebsten hätte ich die Karte zerknüllt und auf den SPA-Besuch verzichtet, aber andererseits: Was sollte ich mit diesem Tag sonst anfangen? Eine professionelle Wellnessbehandlung könnte mir nur guttun, außerdem war sie bestimmt schweineteuer und wer weiß, wann ich mir so einen Luxus jemals wieder leisten könnte.
Eine halbe Stunde später stand ich unter einer Regenwalddusche und warmes Wasser perlte über meine Haut. Miriam, die Empfangsdame des SPA, hatte mir erklärt, dass Daniel das große Wellnesspaket für mich gebucht hatte. Die kommenden vier Stunden würde sie mich von einer Wohltat zur nächsten begleiten. Der erste Programmpunkt nannte sich Floating und ich hatte keine Ahnung, was ich mir darunter vorzustellen hatte. Miriam führte mich in einen fensterlosen Raum, in dem eine große, goldene Muschel stand, deren Deckel sie öffnete. »Lass dich vom Salzwasser tragen«, sagte sie. »Du wirst sehen, es ist ein unglaubliches Erlebnis.«
Ich stieg nackt in die Muschel, die mit körperwarmem Wasser gefüllt war. Als ich mich zurücklehnte, merkte ich sofort, dass ich nicht unterging, sondern sanft getragen wurde. Ich machte wohl so einen erstaunten Gesichtsausdruck, dass Miriam mir noch rasch erklärte, das Wasser habe einen sehr hohen Salzgehalt, bevor sie die Muschel schloss. Aus unsichtbaren Lautsprechern ertönten leise, sphärische Klänge, farbige Lampen erzeugten ein Dämmerlicht. Ich schloss die Augen und ließ mich treiben. Bald entspannten sich meine Muskeln in dem angenehm warmen Wasser und meine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Daniel tauchte vor meinem inneren Auge auf. Er nahm mich in den Arm und hüllte mich mit seinem Körper ein. Totale Geborgenheit gab mir Ruhe und Sicherheit, alles schien im Gleichgewicht, mein Platz in der Welt war hier, an diesem Ort.
Plötzlich hob sich der Himmel über mir und Licht flutete in mein Nest. Miriam hatte den Deckel gehoben. »Jetzt schon?«, fragte ich im sicheren Gefühl, dass nur wenige Minuten vergangen waren.
»Länger als eine Stunde sollte man dem Kreislauf dieses Bad nicht zumuten«, antwortete sie und strahlte mich dabei aus ihren pechschwarzen Augen an. »Aber die Hot-Stone-Massage wird Ihnen auch gefallen.«
Sie behielt recht. Ein junges Mädchen, ich schätzte sie auf höchsten sechzehn oder siebzehn, führte mit unglaublicher Leichtigkeit die flachen, angewärmten Steine über meinen Körper, legte sie an immer anderen Stellen ab und streichelte jede meiner Sehnen und Muskeln. Als sie mir bedeutete aufzustehen, wäre ich am liebsten liegen geblieben, so entspannt fühlte ich mich. »Moussa wartet auf Sie«, sagte sie und führte mich in einen Nebenraum, in dem eine Massageliege stand. Der Seychellois stand an einem Tisch und rührte in einem Topf, der auf einer Herdplatte stand. Als ich eintrat, drehte er sich um, legte die Handflächen zum Gruß gegeneinander und verbeugte sich. »Willkommen zur königlichen Shirodhara-Behandlung, wie sie seit Jahrtausenden im Ayurveda ausgeführt wird.«
Er wies mich an, mich auf den Rücken zu legen. Über meinem Kopf hing an einer Kette ein Gefäß aus Messing, in dessen Boden sich ein Loch befand. Moussa legte ein nach Veilchen duftendes Tuch über meine Augen. »Der Stirnguss mit warmem Öl wird dich in den Zustand tiefster, meditativer Entspannung bringen«, sagte er. Sekunden später spürte ich das warme Öl auf meiner Stirn. Moussa versetzte das Gefäß über meinem Kopf in Bewegung, wie ein Pendel schwang es hin und her und das Öl folgte
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