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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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mittagessen gehen. Ich würde vielleicht trotzdem am gleichen Abend mit ihm den Dokumentarfilm über Noam Chomsky ansehen. Und vielleicht würde ich ihn trotzdem ein paar Wochen später heiraten. Denn kann es wirklich je Zeitverschwendung sein, jemanden zu lieben, aus tiefstem Herzen, mit allem, was man hat?

FÜNF
    Schrecken ohne Ende
    Auch Hannah hatte Erfahrung mit gescheiterten Liebesbeziehungen. Während der ersten Hälfte meiner Ehe mit Nick war sie noch mit ihrem Verlobten Josh zusammen gewesen. Ich könnte mich lange über diesen Kerl aufregen, aber stattdessen will ich mich auf einen Satz beschränken, der seinen Charakter mit fast Zen-artiger Einfachheit auf den Punkt bringt: Josh hatte sich von Hannah durchs Studium füttern lassen, und an dem Tag, als er sein Examen machte, ließ er sie sitzen. Alle in unserer Familie hatten versucht, Josh zu mögen, und waren gescheitert. Er hatte das, was Henry James eine »feuchte moralische Oberfläche« nennt. Als er am Ende Kummer und Schmerz über meine Schwester brachte, knirschte ich mit meinen ohnehin knirschenden Zähnen.
    Und dann überraschte uns Hannah – die vorsichtige, besonnene Hannah – mit einer Reaktion, die mir viel ähnlicher gesehen hätte als ihr: Sie machte eine Kehrtwende und heiratete ihren Chef Phil – innerhalb kürzester Zeit, weniger als drei Monate nach Joshs Abgang. Für einen flüchtigen Moment war sie zum tasmanischen Teufel der Liebe geworden. (Als ich mich bei meinem ersten Date mit Nick auf tasmanischem Terrain bewegte und ihn sechs Wochen später heiratete, war meine Familie erwartungsgemäß dagegen. Nur überrascht waren sie nicht. Sich beim ersten Date zu verloben war genau die Art von unüberlegtem, hohlköpfigem Verhalten, die sie mir zutrauten. Aber nicht Hannah! Und dann auch noch mit ihrem Chef! Die Unschicklichkeit der ganzen Sache raubte uns allen den Atem.)
    Heimlich dachten wir, dass Hannahs Ehe mit ihrem Chef nichts als weiteren Herzschmerz bringen würde. Zum einen waren da die unvermeidlichen Probleme, die bei voreiligen Übergangsbeziehungen auftraten. Zum anderen war da der Altersunterschied von achtzehn Jahren. Hannah war damals sechsundzwanzig und – habe ich das schon erwähnt? – geradezu furchterregend schön. Mal ehrlich: Es ist nichts dabei, wenn ein kleines Mädchen Augen so leuchtend blau wie die Ägäis hat und einen seidigen Vorhang aus weißblondem Haar, der an Engel und Unschuld und Einhörner erinnert; aber wenn eine erwachsene Frau mit achtunddreißig diese natürlichen Attribute immer noch aufweist, fängt man an, einen Pakt mit dem Teufel zu vermuten.
    Doch Hannah schien sich ihrer Schönheit nie bewusst zu sein; ich war die Eitle von uns beiden. In meinen strengen mennonitischen Röcken sehnte ich mich nach den Pastell-Minis meiner Klassenkameradinnen, die ihrerseits instinktiv und gewohnheitsgemäß großen Abstand zu uns »Sektenkindern« hielten. Die Zöpfe, die mir meine Mutter flocht, waren so straff, dass meine Augenbrauen nach oben gezogen wurden. Dadurch nahm mein Gesicht einen Ausdruck von rustikalem Wahnsinn an, ähnlich dem von Joan Crawford in Meine liebe Rabenmutter .
    Weil ich so schnell wuchs, verlängerte meine patente Mutter meine Hosen mit kontrastierenden Stoffstreifen. Hippies taten es, und seit den 1960ern gab es viele coole bunte Patchwork-Jeans. Doch im Jahr 1970 hatte der Gott der Mennoniten sich immer noch nicht für Jeans erwärmt. Jeans gehörten in die Scheune und waren überdies den Jungs vorbehalten. Mir waren sie verboten. Die Hosen, die ich bekam, stammten aus der Kleidersammlung des Mennonitischen Seminars für aufopferungsvolle Missionarsfamilien, die dem Herrn mit Freuden dienten, und waren aus hundertprozentigem Polyester. Sie hatten einen peinlichen Gummibund und eine abgesteppte Bügelfalte vorne am Bein, als befände ich mich in einem frühkindlichen Trainingsprogramm für angehende Wohnwagenfahrer. Das waren die Hosen, an die meine Mutter kontrastierende Polyesterreste nähte, indem sie erst zwei Handbreit des Hosenbeins abschnitt und dann den Streifen der Schmach anbrachte . Wenn ich nach ein paar Monaten wieder ein paar Zentimeter gewachsen war, nähte sie einen weiteren Kontraststreifen an dieselbe Hose. Kein Wunder, dass ich mir als Kind verzweifelt wünschte, hübsch zu sein! Ich bin immer noch der Meinung, dass es unter den Umständen ein Wunder gewesen wäre, hätte ich Gott nicht wie die Müllerstochter aus »Rumpelstilzchen« mein Erstgeborenes

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