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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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Hause, die dreihundertfünfundachtzig Dollar gekostet hatten. Ich möchte daran erinnern, dass wir das Jahr 1996 schrieben. Wohl wahr, die Handschuhe waren wundervoll gemacht: Über einen inneren Handschuh aus gekrispeltem Leder ließ sich per Reißverschluss ein Lederfäustling öffnen und zu einer Art Manschette zurückfalten. Es war genau die Art von raffiniertem Accessoire, die ein mondäner Dandy zur Schau tragen würde, sehr Oscar Wilde, wenn Oscar Wilde die Lilie fallen gelassen, sich den Bauch abtrainiert und den Entschluss gefasst hätte, sich von dem berühmten Künstler Bob Roberts aus Los Angeles Full-Sleeve-Tattoos machen zu lassen. Nick war aber kein mondäner Dandy. Er war ein Doktorand. Wir sollten eigentlich von den zehn Dollar die Stunde leben, die ich am Empfangstisch in der Kanzlei verdiente.
    Ich erinnere mich, wie ich langsam sagte: »Das sind tolle Handschuhe. Aber, Nick, sie haben dreihundertfünfundachtzig Dollar gekostet. Das ist mehr als die halbe Monatsmiete.«
    »Du kapierst es nicht, Baby«, sagte Nick. »Ich werde diese Handschuhe für den Rest meines Lebens tragen. Dreihundertfünfundachtzig Dollar sind ein Schnäppchen !«
    Und das war erst der Anfang. Bald sehnte ich mich nach den Tagen zurück, als er nur dreihundertfünfundachtzig Dollar für ein paar Handschuhe ausgegeben hatte. Während Nicks Laune auf die schwärzeste Depression zutrudelte, begann er zu trinken, Möbel zu zerstören und unseren Hausfrieden mit übelsten Gemeinheiten zu malträtieren, die sich nicht zurücknehmen ließen. Wie viele Frauen bin ich in der Lage, ein gehöriges Maß an Kraftausdrücken wegzustecken, aber Nick wusste wirklich, wie er mich an den empfindlichsten Stellen traf. Er hatte ein Händchen dafür. Die kaputten Ventilatoren, die amputierten Stühle, das zerbrochene Glas, die Löcher in der Wand – das alles machte mir nichts aus. Was mich störte, waren die verletzenden Dinge, die er zu mir sagte.
    Vielleicht, weil ich Schriftstellerin bin, oder vielleicht, weil ich immer meine, was ich sage, ging ich davon aus, dass auch hinter Nicks Äußerungen eine Absicht stand. Ich dachte, dass er die schrecklichen Dinge, die er sagte, in gewisser Weise so meinte. Doch er behielt sich das Recht vor, seine früheren Aussagen zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuziehen oder fallenzulassen, und damit konnte ich schlecht umgehen. Er hielt mich für eine kleingeistige Erbsenzählerin, weil ich so viel Wert auf das ausgesprochene Wort legte – typisch für meine deutschen Wurzeln, zog er mich auf. Und jedes Mal, wenn ich kühle Rationalität, sprachliche Präzision oder geistlosen Konformismus an den Tag legte, gab er den Nazi, drückte die Schultern durch und hob die rechte Hand zum steifen Salut.
    Ich kann nicht beurteilen, ob ich eine überempfindliche Prinzessin bin. Vielleicht bin ich das. Vielleicht hätte ich die Weisheit und das Selbstvertrauen besitzen sollen, mit den Schultern zu zucken und zu kontern: »Stock und Stein brechen mein Gebein, doch Worte bringen keine Pein!« Aber wenn ich schon einmal dabei bin, ein paar zutiefst persönliche Dinge zu enthüllen, kann ich Ihnen genauso gut anvertrauen, welche seiner Kommentare mich am meisten trafen. Hier die Top fünf:
    1. Mein gutes Gedächtnis hatte nichts mit Intellektualität zu tun.
    2. Mein wissenschaftliches Vokabular war frei von kreativer Brillanz.
    3. Es steckte keine Individualität hinter meinem nachgemachten Styling.
    4. Ich war dick und hatte keine Ahnung, wie man sich modisch kleidete.
    5. Meine Eltern hatten ein giftiges Milieu religiöser Vorurteile erzeugt, und ich war auch noch so dumm gewesen, es für Liebe zu halten.
    Während der ersten fünf Jahre unserer Ehe redete ich mir ein, dass solche Kommentare seiner Bipolarität zuzuschreiben waren. Hässliche Beleidigungen spritzten wie Geysire in die Höhe, doch im Grunde, sagte ich mir, liebte Nick mich. Immerhin war er mit mir zusammen. Das hieß doch, dass er mich liebte, oder nicht?
    Als Nicks Depression in jenem Winter eskalierte, war meine wenig hilfreiche Lösung des Problems, ihm so oft wie möglich aus dem Weg zu gehen. Ich übernahm freiwillig Zwölf-Stunden-Schichten in der Kanzlei, was den doppelten Vorteil hatte, dass ich die Überstunden und das Taxi bezahlt bekam, wenn ich bis nach zweiundzwanzig Uhr arbeitete. In jener Zeit liebte ich diesen Job und die große, starre Stille, in der er sich abspielte. Es war der einzige Job, den ich je hatte, in dem absolut gar

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