Fix und forty: Roman (German Edition)
Ausschuss. Die schmeißen wir weg.«
»Kann ich sie kaufen?«
»Wenn Sie möchten. Fünfzig Cent.«
Die Frauen kicherten, als ich ging.
Doch ich sollte den Mennoniten – und meiner sparsamen Mutter – mehr Anerkennung zollen. Vor langer Zeit, als ich in Frankreich studierte, schrieb ich mich für einen Kochkurs ein. Es war kein Kurs am Gastronomicom oder an der École Internationale de Pâtisserie, sondern ein kleiner Lehrgang, der von einem Dreisternekoch angeboten wurde. Ich war verblüfft, fast enttäuscht, als ich merkte, dass es neben dem Geheimnis, mit Wein zu kochen, nicht furchtbar viele Überraschungen gab. Wir lernten lauter Dinge, die ich schon konnte! Ich kam mir ziemlich albern vor – wie Dorothy aus dem Zauberer von Oz , als sie merkt, dass sie die Schuhe, mit denen sie sich nach Hause zaubern kann, die ganze Zeit am Fuß getragen hat. Ich wusste längst, wie man Soßen bindet, wie man ein schönes Stück Fleisch bis zum gewünschten Garpunkt brät oder wie man eine Tarte perfekt und rund in die Backform setzt. So einfach kann es nicht sein , dachte ich bestürzt; es muss eine Art kosmopolitisches Wissen geben, das mich, einmal erlernt, für immer verändert .
Als ich in die USA zurückkam, gab ich meine erste Dinnerparty für zehn Personen, für die ich ein aufwendiges Menu ganz im Stil von L. A. plante: Jakobsmuscheln mit Tomatenrelish und Tomatillo-Vinaigrette. Meine Gäste waren Yuppie-Hipster, durchweg Nicht-Mennoniten, Leute, denen die neuesten kulinarischen Trends wichtig waren. Es war eine Art Debut, und ich war nervös. Würden meine Gäste das Steckrüben-Kartoffel-Gratin kosten und mich als Hochstaplerin outen? Würden sie ahnen, dass ich meine Kochkarriere mit Rahmsoße und Apfelkompott begonnen hatte?
Das Abendessen verlief reibungslos. Ich wurde sogar von zwei Leuten um das Rezept meiner Zitronen-Tarte mit Himbeer-Coulis gebeten. Als ich nach der Party aufräumte, erlebte ich einen dieser abgeklärten Momente, wie Robert Browning sie beschreibt: »Gott ist im Himmel und alles ist gut!« Endlich schien meine mennonitische Vergangenheit kein unangenehmes Handicap mehr zu sein. Im Gegenteil, was das Kochen betrifft, war ich sogar froh, dass ich meine heimliche Grundausbildung bei den Mennoniten erhalten hatte. Ihr allein verdankte ich die Zuversicht, mit der ich gleichzeitig Vorspeisenplatten nachfüllte, das Hauptgericht servierte und die Gesellschaft meiner Gäste genoss.
Und doch wäre ich bis vor fünf, sechs Jahren nie auf die Idee gekommen, mich öffentlich zur mennonitischen Küche der Peinlichkeiten zu bekennen. In den letzten zwanzig Jahren hatte ich das Kochen als mehr oder weniger ernsthaftes Hobby betrieben, hatte von Hannah gelernt, leidenschaftlich Kochbücher gewälzt und mit würzigen Delikatessen experimentiert. Jeden April geben meine Fachbereichskollegen und ich ein Festessen für unsere Englisch-Absolventen. Jeder Dozent bringt ein Gericht mit. Die Veranstaltung liegt irgendwo zwischen einem Picknick und einem exklusiven Dinnererlebnis, denn mehrere meiner Kollegen sind ausgezeichnete Köche. Einmal hatte ich mich zu diesem Anlass für eine Vorspeise gemeldet, doch mein voller Stundenplan hatte mich derart in Anspruch genommen, dass plötzlich Samstag war und ich mit leeren Händen dastand. Nick sagte: »Wen interessiert es, was du mitbringst? Es sind College-Studenten. Die essen auch Pappe.«
Womit er recht hatte. Als Dozentin sehe ich mit eigenen Augen, was für schreckliche Dinge Studenten fröhlich in sich hineinstopfen, von Pop-Tarts bis zur Schweineschwarte. Trotzdem fand ich, dass unsere Absolventen etwas Besonderes, etwas Exquisites verdienten; mit dem Dinner sollte schließlich ein Meilenstein in ihrer Laufbahn gefeiert werden. Leider fehlte mir die Zeit für etwas Exquisites. Also holte ich einen großen Topf Hollapse aus dem Tiefkühlschrank.
Hollapse ist eines der vielen mennonitischen Gerichte, bei denen Kohl sein jähes Ende findet. An ihm wird der mennonitische Hattrick vollführt, bestehend aus Kochen, Schmoren und Backen. Die gekochten Kohlblätter werden einzeln vom dampfenden Kopf abgezogen und wie ein Bettchen in die Hand gelegt. Dann werden sie mit einer würzigen Reis-Hackfleisch-Mischung gefüllt, gerollt, geschmort und gebacken. Zuvor wird jedes Päckchen mit einem Zahnstocher geschlossen und in ein Bett tomatiger Soße gelegt. Der Zahnstocher ist leicht zu übersehen und hat schon so manchen Gast überrascht. Wie auch der erste Hauch
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