Fix und forty: Roman (German Edition)
Geschwister und ich in eurem Alter waren, legte unsere Mutter die Brote einfach in zwei Zuckerrübensirup-Blecheimer! Wenigstens bekommt ihr Wachspapier!«
Hier also, in umgekehrter Reihenfolge, die Top fünf der Peinlichen Pausenbrote unserer mennonitischen Jugend:
5. Warmer Kartoffelsalat
Der würzige Kartoffelsalat war zwar schmackhaft, doch er hatte zwei bedeutende Nachteile. Erstens war er zu dem Zeitpunkt, als wir mittags unsere peinliche Lunchbox öffneten, abgekühlt und geliert. Zweitens, und das machte uns mehr zu schaffen, mussten wir beim Essen immer an Mamas kleines deutsches Liedchen denken:
Da oben am Berg,
da steht ein Soldat.
Er hat in der Hose
Kartoffelsalat!
Vielleicht fragen sich die Leserinnen und Leser, warum eine pazifistische Mennonitenfamilie Lieder über Soldaten sang. Eine andere und vielleicht interessantere Frage ist, warum der Soldat Kartoffelsalat in der Hose hatte. Hannah und ich sprachen ausführlich darüber, als wir die Liste der peinlichsten Pausenbrote zusammenstellten. Hannah meinte, sich an andere Strophen zu erinnern, in denen der Soldat einen Bären gesehen hatte. Vielleicht hatte sich der arme Kerl vor Angst in die Hose gemacht. Ich rief meine Mutter aus Oregon an, um sie zu fragen, warum der Soldat die Hosen voll hatte. War er krank? Hatte er sich erschrocken? Bereute er? Meine Mutter stritt jegliche Kenntnis der Begleitumstände ab. »Es ist einfach nur ein kleiner Soldat, der auf einem Berg steht und Kartoffelsalat in die Hosen macht«, sagte sie. »Muss unbedingt mehr dahinterstecken?«
»Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre«, sagte ich.
»Du wirst den Kartoffelsalat doch nicht in deinem Buch erwähnen?«
»Ich bin der Meinung, dass der Kartoffelsalat ein breiteres Publikum verdient. Stell sein Licht nicht unter den Scheffel! Ich will, dass er leuchtet! Vielleicht kommt er sogar ins Motto.«
»Na gut«, sagte sie resigniert. »Aber ich möchte, dass du klarstellst, dass das Lied nicht von mir stammt. Ich habe es nur zitiert .«
»Ist notiert«, sagte ich.
Als ich an jenem Abend ins Bett ging, murmelte ich »Da oben am Berg, da steht ein Soldat« vor mich hin wie ein Mantra. Es war seltsam beruhigend. Ich stellte fest, dass das Soldatengedicht, wenn man es abends beim Zähneputzen über dem Waschbecken laut aufsagte, die Klarheit eines Haiku annahm, ein lichtes Destillat der Mysterien der Welt. Nachdem ich es fünf- oder sechsmal aufgesagt hatte, begann es das Gewicht einer orphischen Äußerung anzunehmen, ähnlich dem der Prophezeiungen des Nostradamus über seiner Messingschale im Jahr 1555. Vielleicht ist der Soldat jemand, den wir heute kennen, und das Lied sagt seinen Aufstieg auf den Berg voraus. Möge er emporklimmen. Möge er oben stehen. Möge sein Darm seiner Tätigkeit nachgehen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit. Wer weiß, warum der Soldat da steht und sich in die Hosen scheißt? Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht. Und er weiß es bestimmt auch nicht. Was können wir mehr sagen, als dass uns die Haltung des Soldaten gefällt? Er ist ein aufgeklärter Soldat. Sehen Sie, wie er da oben auf der Kuppe steht, mit weltmännischer Unbekümmertheit, als wollte er sagen: Na und? Meine Hosen sind voll, aber dafür ist mein Herz rein!
4. Feuchte Persimonenkekse mit Rosinen-Walnuss-Motiv
In den letzten Jahren hat unsere Mutter häufig und zu Recht damit angegeben, dass sie uns nie irgendwelche Supermarkt-Süßigkeiten mitgegeben hat, die Gral-artig in den unerreichbaren Lunchboxen unserer Kameraden leuchteten: Ho-Hos, Twinkies, Ding Dongs, mit Pudding gefüllte Little-Debbie-Kekse, Cracker und Cheez Whiz in raffinierten versiegelten Verpackungen. Es gab einen Snack, der wirklich verlockend aussah, doch ich bekam nie die Gelegenheit, ihn zu kosten, und heute hat sich das Lustfenster geschlossen, fürchte ich. Bei besagter Leckerei handelte es sich um einen steifen Plastikfinger, der vier orangefarbene Käsecracker und einen quadratischen Klecks gehärtete Erdnussbutter enthielt. Käse mit süßer Erdnussbutter – was könnte es Schöneres geben? Früher wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mein Pausenbrot gegen eins dieser Plastikpäckchen einzutauschen. Doch Tauschen war keine Option. Ich hatte nichts anzubieten, was irgendwer gewollt hätte.
Alles, was in unseren Mund wanderte, war hausgemacht und frei von Chemie. Und doch war der vermutlich hohe Nährwert der peinlichen Pausenbrote nur ein Nebeneffekt für meine Mutter. Ihr wichtigstes
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