Fix und forty: Roman (German Edition)
des stechenden Kohlgeruchs. Doch Hollapse war das, was ich im Gefrierschrank hatte, und deshalb auch das, was ich zur Party mitbrachte.
Ich weiß, dass ich es nicht als Kompliment werten kann, dass die Studenten in Rekordzeit den gewaltigen Kessel Hollapse verputzten, schließlich würden sie sogar Schuhsohlen mit Begeisterung essen. Trotzdem war es ein Wendepunkt für mich, als sich mein Student Ricky zu mir setzte. Er hatte sich entschuldigt, um sich einen Nachschlag zu holen, und jetzt kam er mit einem Teller zurück, auf dem sich drei Hollapse zu einer ägyptischen Pyramide stapelten. Darüber hatte er einen veritablen Nil aus Tomatensoße verteilt. »Hey, Mann«, sagte er zu mir, »ich weiß ja nicht, was das für Scheißdinger sind, aber die sind verdammt lecker!«
Seitdem habe ich zunehmend mennonitische Rezepte in meine Kochgewohnheiten integriert. Ich sehe die mennonitische Küche nicht länger als den peinlichen Verwandten an, den ich auf dem Dachboden verstecken muss, um ihn um jeden Preis von den Gästen fernzuhalten. Im Gegenteil, meine mennonitischen Köstlichkeiten werden immer selbstbewusster, schleichen sich runter, schmuggeln sich auf die elegantesten Tische und präsentieren sich stillschweigend vor Senatoren, Produzenten und Architekten. Was ist dabei, wenn ich die peinliche Kost mit der Frucht der Erkenntnis vermische? In der Genesiserzählung von Adam und Eva im Paradies sind Scham und Erkenntnis untrennbar miteinander verbunden. Erkenntnis verursacht dort sogar die Scham. Erinnern Sie sich, wie Adam und Eva die verbotene Frucht kosten, nur um sich daraufhin ihrer Nacktheit bewusst zu werden? Und wie sie dann nach Feigenblättern greifen, um ihre schlüpfrigen Stellen zu verbergen, womit sie die Geschichte der genitalen Scham begründen? Wenn es nach mir ginge, wäre die Geschichte anders verlaufen. In meiner Version würde Eva die Frucht kosten und meinetwegen auch Adam etwas abgeben, denn wer füttert nicht gern den Mann, den er liebt? Das Feigenblatt könnten sie von mir aus auch behalten, ein Koch braucht schließlich eine Schürze. Aber bei mir würde Eva nicht weglaufen und sich verstecken. Stattdessen würde sie Gott einladen, sich zu ihnen zu setzen. »Ich habe einen köstlichen Apfelstrudel gebacken«, würde sie sagen. »Komm, probier ein Stück.«
SIEBEN
Das große Geschäft
Hannah, Phil und ich waren zu einer Karaoke-Party eingeladen, die die Gastgeber auf einer Auktion ersteigert hatten. Sie hatten sechstausend Dollar dafür hingelegt, und im Preis waren alle Schikanen der modernen Lounge-Karaoke inbegriffen: Disco-Beleuchtung, Mikrofone, Backup-Chor, optionale Luftgitarre, Mariachi-Rasseln. Um das Eis zu brechen, legte der Gastgeber zum Auftakt eine mittelmäßige Interpretation von New York, New York vor, und die Gäste, hauptsächlich wohlhabende Mittvierziger bis Mittsechziger mit guten Berufen, applaudierten seiner Tapferkeit. Dennoch zeigten sie keinerlei Bereitschaft, selbst vor ihren Bekannten und Geschäftsfreunden irgendwelche Poplieder zu trällern.
Dann schob sich eine winzige Dame mit schlohweißem Haar in Richtung Bühne. Sie hieß Olive und war fünfundachtzig. Olive war die Schwiegermutter eines Kollegen von Phil. Es dauerte eine Weile, bis sie das Mikrofon erreichte, weil sie langsam und wenig zielgerichtet unterwegs war, doch irgendwann kam sie an. Gelassen wartete sie, bis ein junger Mann das Mikro für sie herunterschraubte, und begann dann mit zittriger Stimme die vertraute Melodie von You Are My Sunshine zu singen. Plötzlich strömten all die Banker, Wichtigtuer, Architekten und Baulöwen auf der Party mit schwappenden Martinis in den Saal. Olives Stimme zitterte dünn vor der lauten Hintergrundmusik, aber wir konnten sie alle hören. Und dann passierte etwas Merkwürdiges.
Als der Refrain kam, stimmten alle mit ein, als hätten sie sich abgesprochen. Und sie sangen aus tiefster Kehle. Manche Leute hielten ihre Feuerzeuge hoch. In den hinteren Reihen wurde geschunkelt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Olive erntete tosenden Applaus und war der unbestrittene Star des Abends. Hannah schaffte es später, ein kurzes Gespräch mit ihr zu führen, und Olive erzählte ihr, sie hätte nur bedauert, dass die Karaoke-Maschine nicht ihr eigentliches Wunschlied im Angebot gehabt hätte. Noch lieber hätte sie nämlich den alten, christlich angehauchten Schlager gesungen: Brighten the Corner Where You Are .
Nach Olives Auftritt begannen wir unweigerlich zu
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