Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
Vom Netzwerk:
putzen«, erzählte Hannah, »aber als Mom sagte, der Körper sei der Tempel Gottes, da dachte ich, wir müssten uns nur sonntags die Zähne putzen, weil wir ja auch nur sonntags in die Kirche gehen. Diese unterschiedlichen Botschaften machten mir echt zu schaffen.«
    »Warum hast du Mom nicht einfach gefragt? Warst du so schüchtern?«
    »Es hatte weniger mit meiner Schüchternheit zu tun, als mit der Tatsache, dass ich ihre Autorität nicht infrage stellen wollte«, sagte sie.
    »Da haben wir es wieder!«, sagte ich. »Warum bringen die Mennoniten kleinen Mädchen bei, dass sie Autoritäten nicht hinterfragen dürfen? Wir werden zu solch einem Gehorsam erzogen, dass wir am Ende alles tun, um nur ja keinen Wirbel zu machen.«
    Ich erzählte meiner Schwester, wie mir zum allerersten Mal bewusst wurde, dass auch Erwachsene Fehlentscheidungen treffen konnten. Bevor ich in Mrs. Epletts Klasse kam, dachte ich, dass Lehrer genau wie alle anderen Autoritätspersonen gleichermaßen befähigt waren, mir das beizubringen, was ich lernen musste. Meiner Freundin Lola, die vor vierunddreißig Jahren mit mir in dieselbe Klasse ging, ging es genauso. Und die Geschichte hat sich ihr ebenso sehr eingeprägt wie mir.
    Wir erinnern uns beide an Mrs. Epletts feuerrote Perücke, die ihr oft ein bisschen in die Stirn rutschte, sodass sie aussah wie Paul Revere auf dem Bild in unserem Geschichtsbuch, das ihn mit tief in die Stirn gezogenem Hut gen Freiheit galoppierend zeigt. Mrs. Eplett versohlte gerne Hintern und legte sich ihre Opfer dabei buchstäblich übers Knie. Wir hatten schreckliche Angst vor ihr. Einmal saß sie gemütlich auf ihrem Pult vor der Klasse und beugte sich vor, als wollte sie uns ein Geheimnis anvertrauen. »Lasst uns alle geloben, dieses Gespräch für uns zu behalten«, erklärte sie. Wir nickten feierlich. Sie machte eine dramatische Pause, und in der Klasse wurde es so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. »Wir müssen den Tatsachen immer ins Auge sehen«, sagte sie. »Und hier ist so eine Tatsache. Seid ihr bereit, ihr ins Auge zu sehen?«
    Wir waren bereit.
    »Wir müssen über Milla reden. Und wir müssen das jetzt tun, solange sie nicht da ist. Manchmal fällt Milla unangenehm auf.« Mrs. Eplett wedelte mit der Hand unter ihrer Achselhöhle herum.
    Wir nickten wieder. Wie wahr. Es war ernst.
    »Die Menschen wissen nicht, wenn sie schlecht riechen. Meistens ist es auch nicht ihre Schuld . Millas Eltern wurden nicht in Amerika geboren, sodass sie andere Sitten haben. Erinnert ihr euch, als Milla die Dose mit den Knoblauchschnecken für uns zum Probieren mitbrachte?«
    Schaudernd erinnerten wir uns.
    »Nun, Millas Mutter kocht mit Knoblauch . Ich mag vielleicht keinen Knoblauch. Ihr mögt vielleicht keinen Knoblauch. Aber, liebe Klasse: Manche Leute mögen Knoblauch. Und Knoblauch hat einen starken Geruch, der in den Schweiß übergeht. Das ist es, was wir riechen, wenn wir glauben, dass Milla müffelt!«
    Wir nickten verständig. Knoblauchschweiß müffelt. Okay.
    Mrs. Eplett, die sich immer mehr für ihr Thema erwärmte, ermahnte uns: »Liebe Klasse, wenn ich müffeln würde, dann würde ich wollen, dass ihr es mir sagt. Würdet ihr es mir sagen?«
    »Klar!«, bot Mike Helm an.
    »Danke, Mike. Mir gefällt deine Einstellung. Liebe Klasse, es ist unsere Pflicht, Milla zu sagen, dass sie müffelt. Wir müssen einen Plan schmieden.«
    Die sechste Klasse der Easterby-Grundschule saß wie gebannt in frühmanifester Schadenfreude da. Hier würde es zur Sache gehen.
    »Ist irgendjemand mit Milla befreundet?«, fragte Mrs. Eplett.
    Langsam hoben Lola und ich die Hand. Wir waren ein-, zweimal bei Milla zu Hause gewesen, und wir wussten, dass Milla, die Königin der Hochwasserhose, nicht viele Freunde hatte. Lola und ich waren Mennoniten, aber Milla war dick. Dick zu sein war noch schlimmer als mennonitisch zu sein. Das Einzige, was in der Spielplatzhierarche so schlimm war wie Dicksein, war Schwulsein. Doch Schwulsein ließ sich leugnen. Dicksein nicht. Milla konnte ihre Fülle nicht verstecken. Im Gegenteil, ihren engen Hosen nach zu urteilen, schien sie sie sogar noch betonen zu wollen.
    »Rhoda, Lola, gut.« Mrs. Eplett würdigte unsere widerwillig gehobenen Hände. »Wollt ihr uns helfen?«
    Lola und ich nickten zögernd.
    »Ausgezeichnet«, sagte Mrs. Eplett. »Und hier ist der Plan.«
    Der Plan war, dass Lola und ich Milla in der Pause ins Klassenzimmer locken sollten. Zu einem

Weitere Kostenlose Bücher