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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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gibt es einen Mitarbeiter, der regelmäßig den Kopierraum mit Mikrowellengerichten verpestet. Ich rede hier nicht von Weight-Watchers-Produkten. Ich rede vom stygischen Gestank einer Sache, die einen Würgereiz auslöst, zum Beispiel der aufgewärmte Rest eines Chermoula-Fischgerichts vom Vortag. Für den Rest des Tages hängt der Geruch im Kopierraum, wo Firmen gerne ihre Mikrowelle aufstellen. Niemand will der Typ sein, wegen dessen Pausenbrot sich alle die Nase zuhalten. Und doch gibt es ihn in jeder Gruppe. Vielleicht erkennen Sie ihn wieder. Er ist der Passagier, der seinen triefenden Burrito auspackt, sobald das Flugzeug frühmorgens in Newark gestartet ist, und gerade als Sie denken, dass es nicht schlimmer kommen kann, beißt er mit den Zähnen die stinkende Packung Chilisoße auf. Olé!
    Wie sich herausstellte, bin ich eine Variation dieses Typs. Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist, aber aus mir ist die widerliche Dozentin geworden, die in Tupperdosen Kohlsuppe mit zur Arbeit schleppt und sie dort um elf Uhr vormittags aufwärmt, lange bevor normale Menschen warmes Essen riechen können. Meine Kollegen, reife Literaturwissenschaftler mittleren Alters, sind zu taktvoll, um laute Würgegeräusche zu machen, aber sie klopfen bestimmt nicht an, wenn der Borschtsch zu blubbern anfängt.
    Verstehen Sie mich nicht falsch. Borschtsch ist eine gute Suppe. Als Erwachsene habe ich ihn sogar manchmal meinen Gästen als Spezialität vorgesetzt, auch wenn ich gewöhnlich auf den Essig verzichte, um ihnen den geronnenen Rahm zu ersparen. Und die Leute mögen Borschtsch. Sie nehmen sich regelmäßig nach. (Nebenbei ist Borschtsch ein unglaublich wirksames Diätgericht, dank des kohlenhydratarmen Kohls. Ich möchte hiermit meine Leser dazu anregen, diese Information an Diät-Guru Suzanne Somers weiterzugeben. Borschtsch ist mein Geschenk an sie. Ich schenke es ihr gern.)
    Doch Borschtsch ist nichts, was Sie Ihrem Kind in der Lunchbox mit in die Schule geben möchten. Glauben Sie mir. Vor allem kalter Borschtsch birgt gewisse Nachteile. Als ich ein Kind war und die Technologie in unserem Haushalt zweifellos ihrer Zeit hinterherhinkte, bestand die Hauptfunktion unserer Thermosflaschen darin, Flüssigkeiten zu transportieren, nicht deren Wärme zu speichern. (Meine Thermosflasche konnte nicht mal mit meiner Lunchbox-Wickeltasche mithalten, wer weiß also, wo meine Mutter sie aufgetrieben hatte.) Die Thermosflasche mit dem kalten Borschtsch wurde daher zur Zeitbombe eines toxischen Miefs, eines Gestanks, der so unflätig war, dass er in null Komma nichts ein Zimmer leeren konnte.
    Als erwachsene Feinschmeckerinnen schmiedeten Hannah und ich den Plan, mennonitische Gerichte weniger peinlich und appetitlicher zu machen. Wir spielten sogar mit dem Gedanken, unser eigenes Kochbuch herauszugeben. Der Plan war eine Herausforderung sowohl auf geschmacklicher als auch auf ästhetischer Ebene. Wie zum Beispiel konnten wir den gesottenen Kochkäseknödel trendbewusster machen, vor allem, wenn der weiße Knödel die verräterische Weste aus mennonitischer Rahmsoße trug? Dieser leicht säuerliche Knödel, der bei uns Verenike genannt wird, ist unübertroffen in seinem Geschmack, doch ich gebe zu, dass ich mich nicht trauen würde, ihn beim Ladies-Lunch zu servieren. Er hat eine weißliche Qualität nicht unähnlich der Haut seiner mennonitischen Köchinnen. Als Volk sind wir bleich wie Schweinekoteletts, gebeizt durch Jahrhunderte des Inzests und der Scham.
    Leider ist die mennonitische Küche nicht gerade das, was man phantasievoll nennen kann. Auf dem Bauernmarkt in unserer kleinen Stadt besuche ich manchmal den Stand der Altmennoniten, deren Frauen Kopftücher und lange schlichte Kleider tragen. Als ich das letzte Mal dort war, fragte ich, ob sie kleine rote Kartoffeln hätten. Die zwei jungen Frauen, die am Stand verkauften, sahen einander an und versuchten sich das Lachen zu verkneifen. Offensichtlich konnten sie meinen Wunsch nicht nachvollziehen. Es gab große Kartoffeln im Überfluss, hier, genau vor meiner Nase. Warum in aller Welt wollte ich die winzigen Kümmerlinge haben, wenn ich die großen Kerle kriegen konnte? Auf einem Tisch hinter den jungen Frauen stand ein Korb, und darin erspähte ich genau das, was ich suchte: murmelgroße Kartoffeln, frisch wie der Frühling. »Was ist mit denen?«, fragte ich und zeigte auf den Korb.
    »Die? Die möchten Sie haben?« Die jungen Frauen sahen mich ungläubig an. »Das ist der

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