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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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geliefert, dass Satans Speichellecker auf der Welt herumliefen und ihr Unwesen trieben.
    »Ich muss Ihnen eins sagen, Mitch. Ich glaube nicht an ein Wesen wie Satan, das das Böse verkörpert.«
    »Warum nicht?«
    »Für mich ist Satan eine trickreiche Erfindung«, sagte ich. »Wir brauchen ihn, um das Böse, das in uns steckt, auf ihn abzuwälzen.«
    »Und wie erklären Sie sich dann die Bewegungen auf dem Ouija-Brett?«
    »Was für ein Ouija-Brett?« Ich sah mich um, in der Hoffnung, eins in unserer Nähe zu entdecken.
    »Na, die Ouija-Bretter, mit denen ich zum Beispiel als Teenager in Frankie Versalinis Hobbykeller gespielt habe.«
    Wie spannend! »Erzählen Sie mal«, bat ich. Als folgsame Mennonitin hatte ich mich stets an das Verbot gehalten, mit dem Übernatürlichen zu spielen. Selbst mit dreiundvierzig Jahren hatte ich noch nie ein Ouija-Brett aus der Nähe gesehen. Doch Folgendes hatte ich mir über die Jahre aus Informationsbrocken zusammengereimt, die ich mal hier, mal da gelesen hatte: Ouija kommt wie ein Brettspiel daher, auf dem das Alphabet und Ziffern abgebildet sind. Es gibt irgendeine Art Zeiger, den alle Mitspieler mit der Hand berühren müssen. Ab da verläuft das Spiel wie eine Séance im 19. Jahrhundert, schätze ich: gedämpftes Licht, spannungsgeladene Atmosphäre, die Beschwörung von übersinnlichen Kräften oder toten Freunden. Das Brett soll körperlosen Elementen, die aus dem großen Jenseits mehr oder weniger dringende Nachrichten schicken möchten, als Medium dienen. Falls das übersinnliche Wesen eine Nachricht hat, diktiert es diese angeblich mithilfe der Buchstaben und Zahlen auf dem Brett. Warum es nicht laut sagt, was Sache ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es schüchtern. Vielleicht ist das übersinnliche Wesen introvertiert und schiebt uns lieber Briefchen zu wie in der dritten Klasse.
    Da die Hände aller Mitspieler durchgehend auf dem Ouija-Zeiger liegen müssen, ist es unmöglich zu sagen, von wem die Nachricht kommt. Von einem Poltergeist? Dem Geist von Houdini? Deinem Kumpel auf der anderen Seite des Tischs? Deiner eigenen Psyche? Dem Zeiger dabei zu folgen, wie er von einem Buchstaben zum nächsten wandert, muss ein wahnsinnig langsamer und daher umso spannenderer Vorgang sein. Das akribische Ausbuchstabieren einer Geisternachricht ist wohl ein treues Spiegelbild unseres Bedürfnisses, Sinn ins Chaos zu bringen. Es ist schon kurios, dass es ein über Jahrhunderte zensiertes und verbotenes Brettspiel gibt, dessen Quintessenz der buchstäbliche Akt des Lesens ist.
    »Heute bereue ich, dass Frankie und ich damals mit dem Ouija-Brett gespielt haben«, sagte Mitch, »und ich bete seit dem 19. Juni 2000 – dem Tag, an dem ich zum Herrn gefunden habe –, dass nichts Böses an mir hängen geblieben ist.«
    »Was hätte denn zum Beispiel an Ihnen hängen bleiben sollen?«
    »Ich weiß es nicht, und ich will es auch nicht wissen. Irgendeine schlechte Schwingung.«
    Ich versuchte es mir bildlich vorzustellen. »Eine schlechte Schwingung, die an Ihnen hängen bleibt wie ein Stück Klopapier, das Ihnen für immer an der Schuhsohle klebt?«
    Er machte ein finsteres Gesicht. »Außer dass ein Stück Klopapier nicht böse ist. Es ist nur Klopapier.«
    »Der Punkt geht an Sie«, sagte ich. Mitchs Feststellung hatte etwas erfrischend Wahres, und sie gefiel mir so gut, dass ich sie wiederholen musste. »Klopapier ist nicht böse.«
    »Als Anhänger Christi sollten wir dem Bösen nicht die Tür öffnen.«
    »Weil das Böse sonst den Fuß in die Tür bekommt, wie ein Staubsaugervertreter aus den Fünfzigern?«
    »Sie ziehen gern Vergleiche, oder?«
    »Ich bin Schriftstellerin«, entschuldigte ich mich.
    »Ich werde den Tag nie vergessen, als Frankie Versalini im Hobbykeller das Ouija-Brett seiner Schwester rausholte. Das Ding hat völlig verrückt gespielt. Der Zeiger ist wie ein Derwisch über das Brett gesaust.« Mitch schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Hat er eine Nachricht buchstabiert?«
    »Nein. Aber er hat sich bewegt, als wäre er lebendig. Ich und Frankie hatten nichts damit zu tun, das schwöre ich. Haben Sie nie so was gemacht?«
    Mir gefiel die Vorstellung von einem durchgedrehten Zeiger, der das dringende Bedürfnis hatte, etwas mitzuteilen, aber nicht dazu fähig war. Er hatte eine Botschaft, verdammt! Aber er konnte sie nicht artikulieren! Oder vielleicht lautete die Botschaft, dass es immer irgendein unsagbares Verlangen, ein Bedürfnis oder einen Schmerz gibt, die nie

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