Fix und forty: Roman (German Edition)
Frosts Gedicht Bonuspunkte zu verdienen.
Das Priesterseminar, verdammt! Ich war kurz davor, vor all meinen Freunden die Bombe platzen zu lassen, als ich einen Brief von der einzigen anderen Frau erhielt, die am Priesterseminar immatrikuliert war. Da es ein mennonitisches Seminar war, studierten nicht viele Frauen dort. Es war bei den Mennoniten zwar nicht verboten, dass Frauen Theologie studierten, doch es gab damals einfach keine Aufstiegschancen für Frauen in Kirchenämtern. Die Autorin dieses Briefs ist mir nie persönlich begegnet, aber sie hat mein Leben für immer verändert.
Die Frau, nennen wir sie Esther, hatte gehört, dass am Seminar eine weitere Frau zugelassen worden war. Esther freute sich riesig! Sie versprach, in schwesterlicher Solidarität mit mir zusammenzuarbeiten! Wir würden aufeinander aufpassen! Auf sechs handgeschriebenen Seiten teilte Esther arglose Hiebe gegen das Patriarchat aus. Sie war wie ein unschuldiges Kätzchen, das Ihren Fuß anspringt, wenn Sie an der Couch vorbeigehen. Niedlich! Verspielt! Sie würde mich in ihre Gebete einschließen! Dann unterschrieb sie mit einem Bibelvers und einem Smiley, unter den sie eine süße Taube zeichnete, die einen Olivenzweig im Schnabel trug. Das Wort Agape fiel, ein frühchristlicher griechischer Begriff, der für brüderliche – oder in diesem Fall schwesterliche – Liebe steht.
Am nächsten Tag bewarb ich mich an zwölf weltlichen Graduiertenkollegs.
Mein Vater erzählte mir kürzlich eine Geschichte, die wahrscheinlich auch in einer seiner Predigten vorkommt. Es ging um zwei Kameraden im Zweiten Weltkrieg, die enge Freunde wurden. Als einer von ihnen im Kampf fiel, riskierte der andere Leib und Leben, um seinen verstorbenen Freund zu einem katholischen Priester in einem französischen Dorf zu bringen. Doch bevor der Freund auf dem kleinen Friedhof beerdigt werden konnte, musste der Priester seinem Kameraden eine wichtige Frage stellen. War der Verstorbene katholisch? Der Soldat schüttelte den Kopf – »Nein, das heißt, ich weiß es nicht genau. Ich glaube nicht, dass er religiös war.« Der Soldat musste gehen, doch er gelobte, eines Tages wiederzukommen und dem Grab seines Freundes Respekt zu erweisen.
Jahre später kehrte der ehemalige Soldat in das kleine Dorf zurück und fand die alte Kirche. Er war selbst kein Mann des Glaubens, doch er hatte verstanden, dass sein Freund keinen Anspruch darauf hatte, innerhalb der Friedhofsmauern beerdigt zu werden. Der Friedhof war den Katholiken vorbehalten. Ursprünglich symbolisierte die Friedhofsmauer die Grenze des Himmelreichs. Also sah sich der ehemalige Soldat im weiten Umkreis der Kirche um, auf der Suche nach einem Gedenkstein außerhalb der Mauer. Doch er konnte nichts finden. Schließlich spürte er denselben Priester auf, dessen Obhut er seinen toten Freund vor so vielen Jahren überlassen hatte. Der Priester erinnerte sich und führte ihn zu einem Grab, das überraschenderweise innerhalb der Mauern lag.
»Aber mein Freund war kein Katholik! Ich dachte, er müsste außerhalb der Grenzen des Friedhofs beerdigt werden«, rief der ehemalige Soldat.
»Ja«, sagte der Priester. »Aber ich bin die Bücher des Kirchenrechts durchgegangen. Ich konnte keine Stelle finden, in der es hieß, dass wir die Grenzen nicht verändern dürfen.«
Wir alle haben unsere eigenen Methoden, mit Trauer und Schmerz umzugehen. Manche von uns finden Beistand bei Engeln auf der Mauer, die uns, und nur uns, in der Not beschützen. Andere wiederum finden Trost darin, ihr Umfeld zu trösten, so wie es meine Mutter tut. Aber was passiert, wenn es keinen Trost gibt? Was ist, wenn ein Engel auf der Mauer das Allerletzte ist, was wir uns vorstellen können? Falls es Engel gibt, die auf Mauern sitzen, so hat Nicks Bruder Flip sie nie gesehen. Flip hat seiner Trauer und seinem Schmerz ein Ende gesetzt, indem er sich das Leben nahm.
Meine Schwiegereltern blieben der Beerdigung fern, weil Flips Selbstmord in ihren Augen die Mitleidsmasche eines egoistischen Drückebergers war. Als Anhänger des Christentums wussten Nicks Eltern nicht, wie sie mit einem Sohn umgehen sollten, der Selbstmord begangen hatte. Sie glaubten, dass Selbstmörder wie Ungläubige in die Hölle kamen. (Vor Kurzem habe ich gehört, dass Selbstmörder in manchen Mennoniten-Gemeinschaften in Kanada noch bis in die 1950er-Jahre außerhalb der Friedhofsmauern beerdigt wurden.) Nick und ich konnten nie wirklich fassen, wie seine Eltern auf den Tod
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